Klaus Woltron: Unterwegs ins Desaster?

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Die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine hat sich zu einem gefährlichen Stellvertreterkrieg ausgewachsen.
Bis zur offenen West-Ost-Auseinandersetzung fehlt nur noch ein Zwischenschritt: der Eintritt der NATO in den Krieg.
Man scheint nur darauf zu warten.

“Wir sind sehr besorgt!“, sagte CIA-Direktor William Burns. Angesichts einer möglichen Verzweiflung über militärische Rückschläge könnte der russische Präsident den Einsatz von „Atomwaffen geringer Reichweite“ anordnen. Diese besitzen eine Sprengkraft von 0,3 bis zu 340 Kilotonnen. (Zum Vergleich: Die Hiroshima-Bombe hatte eine Brisanz von 13 Kilotonnen.) Sie werden nahe am Boden gezündet, um zu verhindern, dass sich Druckwellen und Strahlung über weite Gebiete verteilen.
Die Befürchtung des CIA ist eine logische Folge der Eskalation des Kriegs und der Bedrängnis, in welche die  Russen, auch vermittels westlicher Hilfe für die Ukraine, geraten sind. Darüber kann auch die aktuelle  Großoffensive nicht hinwegtäuschen.

Die US-Hilfen summieren sich seit Jänner auf 3,2 Milliarden Dollar, der EU-Rat beschloss eine Erhöhung um 1,5 Mrd. Euro und Waffenlieferungen, Kanzler Scholz spendiert zwei Milliarden.
Die Dienste der NATO unterstützen das ukrainische Militär mit Training und Geheimdienstinformationen. Die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine hat sich zu einem Stellvertreterkrieg  ausgewachsen. Verfolgt man die Entwicklung über die Jahrzehnte, ergibt sich das typische Bild der Eskalation eines interkontinentalen Konflikts. Bis zur offenen West-Ost-Auseinandersetzung fehlt nur noch ein Zwischenschritt: der Eintritt der NATO in den Krieg.

WIE ALLES BEGANN . . .
1997, nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums, veröffentlichte US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski (für Jimmy Carter, Ronald Reagan und George Bush) unter dem Titel „Das große Schachbrett“ einen Bestseller über Amerikas weltweite Vorherrschaft. Er bezog sich speziell auf Eurasien, jene Landmasse, die den überwiegenden Teil der Weltbevölkerung beherbergt. Der USamerikanische Informationsdienst STRATFOR fasste wie folgt zusammen: „Es bedarf keines Kriegs, um die Interessen Russlands schwer zu schädigen.
Eine Änderung der geopolitischen Orientierung der Ukraine genügt. Eine westorientierte Ukraine wäre nicht so sehr ein auf Russlands Herz gerichteter Dolch als ein Presslufthammer im Dauereinsatz.“ Als mögliche Folge sah man eine aggressivere Außenpolitik Russlands sowie gewaltsame Erschütterungen in seinem Innern voraus, „in deren Verlauf Millionen Menschen sterben könnten“.
Der Kampf um die Herrschaft über das Einfallstor Westeuropas nach Russland, die Ukraine, begann 2014, nach dem von Frau Merkel mitverschuldeten Scheitern der EU-Beitrittsverhandlungen der Ukraine und der Absetzung des Präsidenten Janukowitsch. Dessen US-freundlicher Nachfolger Juschtschenko versprach, er werde „den Plan für einen euroasiatischen Wirtschaftsraum zerreißen“. Damit bekannte er sich offen als Anhänger der USA im Sinne Brzezinskis: ein Affront in Richtung Moskau. Die Aktivisten der damaligen Maidan-Proteste (am Maidan-Platz in Kiew) wurden in den Taktiken gewaltlosen Widerstands ausgebildet und von Beratern, finanziert durch westliche Regierungen und NGOs, unterstützt.
> Konrad Adenauer Stiftung (Berlin)
> US-Außenministerium (State Department)
> USAID, Behörde der USA für internationale Entwicklung
> National Democratic Institute, USA
> International Republican Institute, USA
> Freedom House (NGO, Washington)
> Open Society Institute, (George Soros, USA).
Soweit die (hierzulande selten zitierten) damaligen Aktivitäten und Ziele der USA. Die katastrophale mörderische Überreaktion Putins hält nunmehr die gesamte Welt in Atem. Der Kolumnist Timofey Sergeytsev behauptet in  der offiziellen Nachrichtenagentur „RIA Novosti“, der Einmarsch „soll die Ukraine samt ihrer Kultur, ihrer  politischen Führung, ihrer Anhänger unter dem Titel Entnazifizierung ausradieren.“ Fantasien eines Großmacht-Schwurblers oder reale Pläne? Fest steht, dass der Westen seit 1990 die Napoleon und Hitler-Neurose der Russen sträflich unterschätzt und leichtfertig angefacht hat. Allzu vieles bleibt im Dunkeln, sichtbar sind nur die Leiden  eines in einem Stellvertreterkrieg gepeinigten Volkes.

EINE GEFÄHRLICHE LOSE-LOSE-SITUATION
Der Westen steht vor einem geschichtlichen Dilemma: Einerseits wünscht man, dass die Ukraine den Krieg gewinnt. Andererseits wird versichert, dass sich die NATO nicht beteiligt. Darin liegt ein Widerspruch, den man auflösen will, indem man einen Stellvertreterkrieg anfacht. Hoffentlich ist den Staatenlenkern bewusst, welche Verantwortung sie tragen: Putin völlig niederringen zu wollen führt unweigerlich in einen großen Krieg. Die NATO ganz herauszuhalten wiederum bewirkt die Vernichtung der Ukraine.
Die Folge dieses ungelösten Dilemmas könnte eine brutale Verschärfung des Kriegs und der Tod weiterer Tausender Zivilisten sein. Wird sich die NATO sodann aktiv einschalten? Ihre Strategen kalkulieren diese Eskalationsstufe für den Fall, dass sich eine günstige Gelegenheit oder die viel zitierte „Alternativlosigkeit“ einstellt, bereits ein. Im besten Fall muss man sich auf einen jahrelangen Guerillakrieg einstellen. Ob geschenkte Panzer dabei hilfreich sind? Es keimt der Verdacht auf, dass wir Zug um Zug auf einen langwierigen Krieg in unserer Nähe vorbereitet werden. Der pensionierte USGeneral Dana Pittard sprach es jüngst bei CNN offen aus:
„That’s why NATO and the US must react . . . “ Das scheint das unausgesprochene Ziel zu sein.
Österreich ist gut beraten, sich auf harte Zeiten vorzubereiten, nicht alles, was Herr Zelenskij, Frau v. d. Leyen und die Strategen jenseits des Großen Teichs verkünden, zu glauben und kriegerische Töne in jegliche Richtung tunlichst zu vermeiden.