
Wie Bioabfälle zu Energieträgern werden
Verfahrenstechnik. Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Ein Forschungsteam der Technischen Universität (TU) Graz fand heraus, wie man ihn umweltfreundlich aus Bioabfällen herstellen kann.
VON MICHAEL LOIBNER
A uch bei Wissenschaftlern kommt mitunter das Kind im Manne zum Vorschein. So mutet es zumindest an, wenn auf dem Gelände des ACstyria Mobili-tätsclusters in Grambach bei Graz ein Spielzeugauto unter den wachsamen Augen der Forscher seine Runden dreht. In Wahrheit hat das Unterfangen natürlich einen ernsten Hintergrund: Das Mini-Fahrzeug ist mit einem kleinen Wasserstofftank ausgerüstet, und der Treibstoff wurde mit einem neuartigen Verfahren nachhaltig und klimaschonend aus Biogas gewonnen, das bei der Vergärung von Biomasse oder Bioabfällen entsteht. Entwickelt wurde die Methode am Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik der TU Graz, die Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Start-up Rouge H2 Engineering, einem Partner des steirischen Mobilitätsclusters.
„Wasserstoff ist nicht der ideale Energieträger, aber der beste“, sagt TU-Professor Viktor Hacker. Eine der Herausforderungen: Die Herstellung aus fossilen Brennstoffen ist weitaus billiger als die Erzeugung von grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Ressourcen. Dessen Anteil an der weltweiten Produktion liegt nicht zuletzt deshalb bei gerade einmal fünf Prozent. Das wird nach Einschätzung von Expertinnen und Experten auch so bleiben, wenn es nicht gelingt, die Effizienz von Technologien zur Erzeugung aus Wasser, Biomasse oder Abfällen zu steigern und nachhaltig erzeugten Wasserstoff damit rentabler zu machen. Bei dezentraler Erzeugung in kleinem Maßstab hingegen sieht Hacker durchaus eine Chance für den grünen Wasserstoff.
Reaktor im Schiffscontainer
Die von ihm mit seinem Team gefundene Methode zur Gewinnung aus Biogas wurde zunächst mit Laborequipment an der Grazer TU getestet und wird nun auf dem Areal in Grambach in Industriestandard umgesetzt. Der dafür erforderliche Geräte-Aufbau ist in einem zwölf Meter langen Schiffscontainer untergebracht. Kernstück ist ein Reaktor, gefüllt mit fünf Millimeter kleinen Kugeln aus Eisenoxid. Ein Gasbrenner bringt das durchströmende Biogas auf eine Temperatur von mehr als 800 Grad. Bei der dabei einsetzenden chemischen Reaktion wird das Eisenoxid zu Eisen reduziert. In einem zweiten Schritt wird Wasserdampf zugesetzt, das Eisen oxidiert, und übrig bleibt hochreiner Wasserstoff. Dieser Vorgang kann durch nacheinander geschaltete Reaktoren beliebig oft wiederholt werden. „Unser Spielzeugauto fährt mit einer Tankladung etwa eine Minute lang“, sagt Gernot Voitic, Projektleiter bei Rouge H2. Ziel der Anstrengungen ist es freilich nicht, Modellwagen herumflitzen zu lassen. „Im ländlichen Raum, wo die meisten der österreichweit rund 300 Biogasanlagen stehen, bietet sich den lokalen Betreibern die Chance, ein hochwertiges Produkt zu erzeugen, das zudem wirtschaftlich ist“, erklärt Hacker. Strom aus Biogas, der ins Netz gespeist wird, bringt höchstens etwa 13 Cent pro Kilowattstunde, meist jedoch weit weniger. „Grüner“ Wasserstoff hingegen wird derzeit mit etwa fünf Euro pro Kilogramm gehandelt, das entspricht etwa 15 Cent pro Kilowattstunde Strom.
Beim Traktor Diesel ersetzen
Alternative Verwendungsmöglichkeiten erblickt Hacker in der Errichtung von Wasserstoff- Tankstellen und im Einsatz von Wasserstoff- Traktoren. Diese könnten landwirtschaftliche Arbeitsgeräte mit Dieselmotoren ersetzen. Da heißt es aber vorerst noch warten, bis die Industrie entsprechende Modelle zur Serienreife gebracht hat. An der TU Wien tüftelt ein Forschungsteam um Bernhard Geringer vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik derzeit daran. Auch sie haben ein Verfahren zur Gewinnung von Wasserstoff aus lokalen biogenen Quellen entwickelt: Dabei wird dem beim Vergasen von Holz entstehenden Produktgas der Wasserstoffanteil entzogen. Dieser wird anschließend gereinigt und verdichtet.
Viktor Hacker von der TU Graz sieht einen großen Vorteil der Erzeugung von Wasserstoff in Biogasanlagen darin, dass er dort, wo er hergestellt wird, auch genutzt werden kann. „Damit erspart man sich den Transport.“ Die OMV stellt in Schwechat derzeit „grauen“ Wasserstoff aus Erdgas her und investiert 25 Millionen Euro, um ab 2023 bis zu 1500 Tonnen Wasserstoff pro Jahr mittels Elektrolyse aus Wasser zu gewinnen. Zentral erzeugt muss dieser grüne Wasserstoff jedoch in die Verbrauchsregionen gebracht werden. Pipelines sind laut einer Studie des deutschen Instituts für Brennstoffzelle, Wasserstofftechnologie und Elektromobilität nur bei großen Mengen (ab zehn Tonnen pro Tag) und geringen Distanzen (bis 200 Kilometer) kostengünstiger als Lkw. „In Lastwagen muss der Wasserstoff verflüssigt, unter Druck und auf minus 253 Grad abgekühlt transportiert werden“, rechnet Hacker vor. „Da werden allein für die Kühlung 20 bis 30 Prozent des Wasserstoffs benötigt.“ Um den gleichen Brennwert wie eine Lkw-Ladung Diesel zu transportieren, benötige man 15 Tankwagen mit Wasserstoff. Dieser logistische und finanzielle Aufwand falle bei regionaler Erzeugung weg.
Beim Biogasproduzenten Ökostrom im südsteirischen Mureck wird, unterstützt von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, seit drei Monaten ebenfalls bereits Wasserstoff mit der von Hacker und seinem Team entwickelten Methode erzeugt. Er dient reinen Forschungszwecken. „Wir analysieren ihn und speisen ihn anschließend wieder in die Anlage ein, wo dann Strom erzeugt wird“, erklärt der Forscher. Projektleiter Vojtic von Rouge H2 plant aber bereits Einsätze in der Praxis: „Für ein Vorhaben in Deutschland bereiten wir den Betrieb von E-Bikes mit Wasserstoffantrieb vor, wobei der Treibstoff aus Deponiegas gewonnen wird.“ „Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen wird fossile Treibstoffe auf dem Mobilitätssektor nicht so schnell verdrängen“, vermutet Hacker. Rund acht Millionen Tonnen Diesel und Benzin werden jährlich in Österreich getankt. Die beim Betrieb der Dieselfahrzeuge entstehenden Abgase machen laut Verkehrsclub (VCÖ) rund 92 Prozent der durch den Straßenverkehr verursachten Schadstoffemissionen aus. „Wenn wir ein Fünftel der Tankmenge durch Wasserstoff ersetzen könnten, wäre ein großes Ziel erreicht.“
IN ZAHLEN
300
Biogasanlagen gibt es österreichweit ungefähr. Die meisten davon stehen im
ländlichen Raum.
13
Cent pro Kilowattstunde bringt Strom aus Biogas, der ins Netz gespeist wird, je nach Ta rif maximal ein. „Grüner“ Wasserstoff wird hingegen mit etwa fünf Euro pro Kilogramm gehandelt.
25
Millionen Euro investiert die OMV in Schwechat, um ab 2023 bis zu 1500 Tonnen Wasserstoff pro Jahr mittels Elektrolyse aus Wasser zu gewinnen.
Eine dezentrale Erzeugung von Wasserstoff erspart aufwendige Transportwege.
Viktor Hacker, Verfahrens- und Umwelttechniker
KLIMA IM WANDEL
Die Vision: Ta nkstellen, die vor Ort erzeugten „grünen“ Wasserstoff bereitstellen.
P.S.: Wer suchet, der findet!
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2020-10-05 Die zwei Corona-Fehler der Regierung und der Mangel an Eigenverantwortung – Florian Asamer – Presse
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