Leonore Gewessler: „Ab 2030 keine neuen Verbrennerautos“

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Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) über die Koalitionskrise, die Ökosteuerreform, die Renaissance der Atomkraft, über das nahe Ende von Autos mit Verbrennungsmotor und darüber, warum sie als Global-2000-Chefin den CO2-Preis nicht kritisiert hätte.

Die Presse: Wie sehr haben Sie während der Regierungskrise wegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz um die Ökosteuerreform und das Klimaticket gezittert?

Leonore Gewessler: Das Klimaticket war schon fixiert, aber das war jedenfalls eine schwierige Situation für die Koalition. Es ist in der Diskussion auch darum gegangen, wie wir diese Teile weiter umsetzen können.

Was wäre wichtiger gewesen: Diese Vorhaben umzusetzen oder mit der Opposition dem Misstrauensantrag gegen Kurz zuzustimmen?

Die Frage stellt sich so nicht. Wir haben als Grüne nach den Anschuldigungen, die im Raum stehen, eine Entscheidung getroffen. Es gab eine einheitliche Vorgangsweise, und die war wichtig.

Sie sind Quereinsteigerin in die Politik. Wie beurteilen Sie diese Chats, haben Sie sich gedacht, dass Politik so funktioniert?

Wenn Sie mich als Staatsbürgerin fragen – das ist natürlich ein verstörendes Bild.

Und wenn ich Sie als Politikerin frage?

Als Ministerin bedeutete das, dass man die Schritte setzt, die wir als Grüne auch gesetzt haben. Dass man klar Konsequenzen zieht. Wichtig ist jetzt, das Vertrauen wieder herzustellen. Man muss den Menschen zeigen, dass es um Sachpolitik geht und um die Antworten für die Herausforderungen der Zukunft. Was passieren kann, wenn es nicht um Sachpolitik geht, haben wir erlebt.

Hat sich die Zusammenarbeit in der Koalition verändert?

Natürlich ist das eine nicht alltägliche Situation, aus der man am besten herauskommt, indem man gemeinsam die Arbeit fortsetzt.

Wird die Koalition bis zum Herbst 2024 halten?

Alexander Schallenberg hat gesagt, dass er das anstrebt. Ich habe jedenfalls mehr als genug zu tun und noch viele Vorhaben.

Eigentlich haben Sie Ihre wichtigsten Punkte umgesetzt: Ökosteuerreform, Klimaticket, Plastikpfand.

Man darf sich über diese Erfolge freuen, aber das war noch nicht alles. Wir haben in Österreich 30 Jahre über den Klimaschutz geredet, aber wenig getan. Reden reicht nicht, es geht jetzt darum, Schritte zu setzen. Österreich ist nur eines von sechs Ländern in der EU, das es nicht geschafft hat, seine CO2-Emissionen zu reduzieren. Deshalb muss man handeln, unter anderem eben damit, dass CO2 erstmals einen Preis bekommt und man mit dem Klimaticket die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel attraktiv macht.

Was hätten Sie in Ihrer früheren Funktion als Geschäftsführerin von Global 2000 zu einem Preis von 30 Euro pro Tonne CO2 gesagt?

Ich habe auch in meiner Zeit bei Global 2000 immer gesagt, dass das Wichtigste ein Preis für CO2 ist. Und dieser Preis muss mit der Zeit steigen. Das haben wir in der Steuerreform erreicht.

Viele Umweltverbände kritisieren, dass 30 Euro zu wenig sind.

Allein das Faktum, dass dieser Preis steigen wird, führt zu einem Nachdenken über das eigene Verhalten. Beispielsweise beim Autofahren: Bei den Preisen an der Tankstelle überlegt man sich, ob man vielleicht doch mit dem öffentlichen Verkehrsmittel fährt oder sich ein Elektroauto kauft. Das ist der Effekt, den wir erreichen, verstärkt noch durch den Klimabonus, der einen finanziellen Anreiz gibt, sich umweltfreundlich zu verhalten.

Glauben Sie wirklich, dass irgendjemand wegen maximal 200 Euro im Jahr weniger mit dem Auto fährt?

Alle in Österreich, vom Kleinkind bis zur Oma, bekommen künftig den Klimabonus. Wenn ich mich umweltfreundlicher verhalte, bleibt mir mehr von diesem Klimabonus übrig – und mit dem Geld kann ich essen gehen, einen Ausflug machen, was auch immer. Es soll ein Anreiz zur Verhaltensänderung sein. Es sollen aber auch nicht jene bestraft, werden, die ihr Verhalten nicht verändern können – etwa die Mieterin in Wien, deren Wohnung mit einer Gastherme geheizt wird.

Da kann aber auch der Besitzer wenig tun, wenn die Wohnung nicht an die Fernwärme angeschlossen ist.

Die Stadt Wien arbeitet intensiv daran, die Dekarbonisierung in der Wärme voranzutreiben – mit einem Ausbau der Fernwärme, mit Geothermie, mit der Frage, wie man Heizungen in mehrstöckigen Gebäuden zentralisieren kann.

Aber man ist von der Stadt Wien abhängig, wenn man umweltfreundlich ohne Gas heizen will.

Die Herausforderungen in der Stadt sind andere als auf dem Land, wo man die Heizsysteme leichter umstellen kann. Es ist schon klar, dass nicht jeder Wohnungsbesitzer in Wien eine Luft-Luft-Wärmepumpe aufs Dach setzen kann.

Wie viel von Ihren Vorstellungen haben Sie in der Ökosteuerreform umsetzen können?

Das Allerwichtigste an der ökosozialen Steuerreform ist, dass es sie gibt – nachdem man jahrzehntelang nur darüber geredet hat. Wir haben mit dem CO2-Preis ein neues Zahnrad im Steuersystem, eine Stellschraube, an der man drehen kann.

Wie wird man daran drehen, wenn das Ziel, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, nicht erreicht wird?

Die CO2-Bepreisung ist nur eine Maßnahme in einem Ensemble von Klimamaßnahmen, sie ist aber ein wesentlicher und wichtiger Teil davon. Wir haben eine Aufholjagd im Klimaschutz gestartet. Vom Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz über das Klimaticket, es gibt Rekordinvestitionen in den öffentlichen Verkehr, es gibt die Ökosteuerreform, ein Pfand auf Einwegflaschen – das sind alles Maßnahmen, die helfen werden, dass wir beim Klimaschutz vom Reden ins Tun kommen.

Werden wir die Klimaziele erreichen?

Ja. Scheitern ist im Klimaschutz keine Option. Da geht es um die Zukunft unserer Kinder.

Ein Teil ist das Klimaticket, das einst 1-2-3-Ticket hieß. Die Namensänderung gibt es deshalb, weil man die versprochenen ein und zwei Euro pro Tag für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs nicht einhalten konnte. Woran ist das gescheitert?

Hätten Sie mich vor einem Jahr gefragt, wo wir im Oktober 2021 mit dem Klimaticket stehen – nie hätte ich mir gedacht, dass wir das erreichen, was wir erreicht haben. Erstmals kann man mit einem Ticket alle Verkehrsmittel in Österreich nützen – vom Bodensee bis zum Neusiedlersee, von Laa an der Thaya bis nach Völkermarkt. Jeden Bus, jede Straßenbahn, das ist eine Revolution. Und es gibt schon ab nächstem Jahr auch in allen Bundesländern Flächentickets.

Aber nicht um einen Euro pro Tag.

Nicht in allen Bundesländern, weil es unterschiedliche Voraussetzungen gibt. Aber Salzburg senkt beispielsweise seinen Ticketpreis, auch dort wird es, wie in Wien, Vorarlberg und Oberösterreich in der Fläche, ein 365-Euro-Jahresticket geben.

Reden wir noch einmal über den Klimaschutz: Die Atomkraft erlebt in manchen Ländern eine Renaissance, weil sie CO2–neutral ist. Muss man als Klimaschützer für Atomkraft sein?

Atomkraft ist keine Lösung. Die Zeit drängt, die kommenden zehn Jahre sind wesentlich für das Erreichen der Klimaziele 2040 und 2050. Atomkraft ist in Bau und Betrieb zu teuer, und die Bauzeit ist viel zu lang. Und außerdem gibt es unzählige ungelöste Probleme und Gefahren.

Woher kommt der Strom dann, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint?

Sicher nicht aus der Atomkraft. Unser Energiesystem muss umgebaut werden, die unterschiedlichen Bereiche müssen gut miteinander vernetzt werden, es muss dezentral funktionieren, flexibel sein, Speichermöglichkeiten haben – etwa mit Wasserstoff.

Und notfalls vertrauen wir darauf, dass die Kohlekraftwerke aus Deutschland Strom liefern.

Unser Ziel ist es, dass der gesamte Strom für Österreich bis 2030 zu 100 Prozent aus heimischer, erneuerbarer Energie kommt. Wir sind das erste Land in Europa, das das schaffen wird. Aber gleichzeitig geht es überall in diese Richtung – auch Deutschland steigt aus der Kohle aus.

Weil Sie sagen, dass die Atomkraft lange Bauzeiten hat: Sie planen 1000 neue Windräder bis 2030. Das wird auch nicht schneller gehen, gegen jedes neue Windrad gibt es sofort eine Bürgerbewegung.

Der größte Teil der erneuerbaren Energieanlagen in Österreich wird ohne große Diskussionen gebaut, auch Windräder. Die Akzeptanz der Menschen ist sehr groß, sie können mitreden und auch Teil der Energiewende werden. Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen werden.

Wann wird in Österreich der letzte Neuwagen mit einem Benzin- oder Dieselmotor zugelassen werden?

In den vergangenen Jahren gab es in vielen Fällen nur den Verbrenner, wenn man mit dem Auto von A nach B wollte. Mittlerweile haben wir mit Elektroautos die bessere Alternative. Wir fördern sie finanziell, die Autos sind von der NoVA befreit – das wirkt. Im vergangenen Monat hatten die E-Autos bei den Neuzulassungen einen Anteil von fast 20 Prozent. Unser Ziel ist, dass Österreich bis 2030 bei den Neuzulassungen im Pkw-Bereich 100 Prozent emissionsfrei ist.

Das heißt, ab 2030 keine neuen Verbrennerautos.

Ja, ab 2030 keine Neuzulassungen mehr von Verbrennern. Wir haben eine sehr gute Entwicklung bei der E-Mobilität. Die Kosten der Autos gehen runter, die Reichweite wird größer, Elektroautos sind im Betrieb günstiger – das ist insgesamt eine gute Entwicklung. Wir haben auch erreicht, dass sich Europa ein einheitliches Ziel setzt, dass nämlich ab 2035 keine neuen Pkw mit Diesel- oder Benzinmotor mehr zugelassen werden. In Österreich sind die Voraussetzungen gut, wir wollen noch schneller sein.

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Erschienen am So, 25.7.2021

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Erschienen am So, 25.7.2021


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