Klaus Woltron: Klimaschock: Zurück in die Steinzeit?

WIEVIELE MENSCHEN VERTRÄGT DER PLANET? Es wird eng in jeder Hinsicht. Ökologisch & ökonomisch.
In den letzten 45 Jahren hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt und der Energieverbrauch verdreifacht.
Die Lösungskompetenz der Politik schrumpft im selben Maß wie ihre Autorität und Glaubwürdigkeit.
MODERNER ABLASS­HANDEL: 25 EURO FÜR EINE TONNE CO2. IST DAS DIE LÖSUNG?

Ich bin nicht der Mei­nung, dass unser Weg zurück in die Steinzeit führen sollte“, so Kanzler Kurz. Nicht vom Neolithikum war die Rede, sondern vom Zeitpunkt, da die Erderwärmung massiv ein­setzte – Mitte der Siebzigerjahre. „Der einzig richtige Zugang ist, auf Innovation und Technologie zu setzen.“ So werde man auf nichts verzichten müssen. Darauf postwendend die Grünen: „Altes Denken und Politik von gestern!“ Der Ex-Rektor der TU Graz, Hans Sünkel, pflichtete bei und pochte zu Recht auf den „Ver­zicht auf Verzichtbares“ – Le­bensmittel, die den Erdball um­runden, Kreuzfahrten mit Mons­terschiffen, Shopping-trips nach New York etc.

Die Misere reicht aber viel tie­fer und umfasst unsere gesamte Existenz. Seit 1975 hat sich die Erdbevölkerung verdoppelt, der Energieverbrauch verdreifacht.

Die Zahl der Autos erreichte 1,3 Mrd., das Heer der Flugpas­sagiere versechsfachte sich. Ähn­liches bei der Produktion von TV-Geräten, Geschirrspülern, Waschmaschinen. Von Milliar­den Handys, Laptops, PCs und dem Verpackungswahnganz zu schweigen. All das wird für kurzeZeit benutzt, dann deponiert, ver­brannt, recycelt oder weltweit he­rumgekarrt. Zur selben Zeit wuchs die Anzahl der Arbeits­plätze, Bankkonten, Schulden, Rentenfonds, Anleihen und Ak­tiendepots. Die durchschnittli- cheTemperaturstiegum fast 1°C Celsius. Dürren, Stürme, Feuers­brünste und Überschwemmun­gen nahmen auch in gemäßigten Klimazonen zu. Der Weltklima­rat mahnt: „Es muss dringend et­was geschehen.“ Man höre!

ALLE REDEN VON VERKEHR & INDUSTRIE. NIEMAND VON DER BEVÖLKERUNGSEXPLOSION

Alle Pläne konzentrieren sich nun auf Energie, Verkehr und In­dustrie. Bevölkerungsexplosion, Wachstum der Nachfrage, des Konsums und Abfalls kommen zu kurz. Durch Emissionshandel sollen auch diese Faktoren ge­lenkt werden – aber mit welchen Nebenwirkungen? In Deutsch­land sind pro emittierter Tonne CO2 25 Euro zu bezahlen, bis 2025 soll der Preis für den Ablass­handel auf 55 Euro steigen.

Wird dieser Dirigismus unge­wollt auch zu gewaltigen ökono­mischen Verwerfungen führen, die Suppe teurer als das Fleisch werden? Der renommierte Volkswirtschafter Hans-Werner Sinn warnt vor einer Wiederkunft der Planwirtschaft.

Millionen Menschen im Wes­ten fühlen sich durch die geplan­ten Einschränkungen bedroht. Zwei Drittel der Menschheit wie­derum wollen zu uns Verschwen­dern aufschließen.

Zweifel an der Durchsetzbarkeit der verordneten Revolution sind angebracht: Das Problem er­innert an die Quadratur des Krei­ses, die weder

Thales von Milet noch Anaxagoras oder Leonardo da Vinci gelang.

Erreicht man die gesteckten CO2-Ziele nicht, wird sich die Er­wärmung der Atmosphäre ver­stärken. Setzt man, andererseits, die geplanten Maßnahmen rück­sichtslos um, muss mit unwägba­ren Reaktionen des Weltwirt­schaftssystems gerechnet wer­den. Dieses ist schon in den jetzi­gen Strukturen reichlich instabil. Das gelobte Allheilmittel „Inno­vation“ wiederum braucht Zeit und kostet Unsummen. Viele Staaten werden sich klammheim­lich um ihre Verpflichtungen drü­cken, soziale Auseinandersetzungen den Ablauf des Projekts hem­men. Ergebnis: Die geplanten Bremsmanöver verdampfen erst einmal wie der Tropfen auf den heißen Stein.

WANN DER RÜCKGANG DER CO2-EMISSIONEN WIRKSAM WIRD, STEHT IN DEN STERNEN

Um die Zunahme der globalen Erwärmung auf 1,5 °C zu begren­zen, müssten die Emissionen bis 2030 um 25% sinken. Bis dahin wird die Weltbevölkerung um 740 Millionen zugenommen ha­ben. Diese verlangen nach Arbeit und Brot und werden dabei ihren Beitrag zum Schadstoffausstoß leisten. Wenn es nicht gelingt, in­nerhalb kürzester Zeit – 9 Jahre sind nichts! – die Produktions­strukturen der Menschheit auf eine neue Basis zu stellen, wird das Ziel nicht einmal annähernd erreicht. Stellt man in Rech­nung, wie hilflos die Regierun­gen der westlichen Welt allein dem Migrationsthema gegen­überstehen, kann man sich aus­malen, wie die Auseinanderset­zung zwischen den Vorkämpfern massiver Einschränkungen und Millionen dadurch Betroffener ausgehen wird: Es wird alles viel länger dauern als geplant. Jüngs­tes Beispiel: Bei einem Treffen in Neapel konnten sich die Fachmi­nister der G20-Staaten für Um­welt und Klima wieder einmal nicht einigen.

Die Problemlösungskompe­tenz der Politik schrumpft im sel­ben Maße wie ihre Autorität und Glaubwürdigkeit. Hierzulande belagern die Vertreter der Wirt­schaft die unbeugsame Umwelt­ministerin, welche ihre Mission wie eine geweihte Monstranz vor sich herträgt. Die beiden Lager verheddern sich in das übliche parteipolitische Hickhack, an­statt gemeinsam Lösungswege zu suchen. Caroline Bosbach, wis­senschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag: „Es geht darum, die Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales aus­zubalancieren.“ Das schafften je­ne nicht, welche bloß radikale Ideologien (hierzulande: „Das Beste ausbeiden Welten“) umset­zen wollen. Nebenbei: Der Bei­trag unseres Landes zum weltwei­ten Kohlendioxidausstoß beträgt ganze 0,2%. Hielte sich auch nur eine einzige mittelgroße Welt­metropole nicht an die Regeln, wären unsere Bemühungen zu­nichtegemacht. Ob Genosse Franciscus Cornelis Gerardus Maria „Frans“ Timmermans, Li­teraturwissenschafter und Kli­maschutz-Kommissar, da durch­blickt?

Man wird gut daran tun, einen wesentlichen Teil der Green- Deal-Schulden für Maßnahmen vorzusehen, welche unmittelbar vor Sturm, Dürre und Über­schwemmung schützen. Nicht nur die CO2-Operation ist unver­meidbar, auch die begleitenden Schmerzmittel darf man nicht vergessen: Wann der Rückgang der CO2-Emissionen wirksam wird, steht nämlich in den Sternen.