Die Gesellschaft für Infektionskrankheiten, deren Präsident Sie sind, hat sich im Oktober gegen ungezielte Massentestungen ausgesprochen. Diese seien – ich zitiere – „kein geeignetes Mittel, um eine präzise Information zur Virusverbreitung zu erhalten und die Pandemie einzudämmen“. Erleben wir gerade eine Aktion nur zur Beruhigung der Leute?
Nicht jeder Test ist gleich gut. Wir wissen, dass der Antigentest bei symptomatischen – das heißt kranken – Personen die Infektion de facto beweist. Nicht aber wenn jemand ohne Symptome bleibt. Der viel diskutierte Ct-Wert der Virenmenge verdeutlicht das: Je nach Test können die Ergebnisse trotz einer Infektion ab einem Ct-Wert von 26 bis 28 negativ sein. Daher wird meiner Meinung nach die Massentestung nur bedingt aussagekräftig sein. Einen gewissen Prozentsatz von wirklich Infizierten entdeckt man nicht.
Vielleicht klingt deshalb die politische Argumentation nach dem Sprichwort „Hüft’s nix, so schodt’s nix!“, also dass die Massentests einige zusätzliche Infektionen finden und ja nicht schaden würden. Was hätte denn für Sie als Mediziner eher inhaltlichen Mehrwert?
Viel zielführender wäre es, großzügig Personen mit Symptomen und deren Kontakte hiermit rasch zu testen. Noch eins: Auch das Abstreichen im Hals muss gelernt sein. Wir wissen, dass ein schlecht durchgeführter Test mit falsch negativen Ergebnissen einhergehen wird.
Dafür sehen Sie ja die Impfungen sehr vielversprechend. Doch gibt es auch verunsicherte Menschen. Was sagen Sie jemand mit der Angst, dass es ja naturgemäß noch keine Studien zu Langzeitschäden durch eine Coronaimpfung geben kann?
Die Impfstoffe, welche uns zur Verfügung stehen werden, basieren auf lang erprobten Plattformen. Sie verwenden nur Genbruchstücke, damit wir selbst eine schützende Immunantwort entwickeln. Impfstoffe zählen prinzipiell zu den sichersten Medizinprodukten. Bei etwa 100.000 geimpften Personen weltweit gab es bei keiner der bisherigen Studien auch nur eine einzige lebensbedrohliche Nebenwirkung. Selbst bei jungen Menschen ist die Wahrscheinlichkeit, an Corona zu sterben, viel höher, als eine tödliche Impfkomplikation zu erleiden. Also, lassen wir die Kirche im Dorf.
Es wird aber dauern, bis genug Impfstoffdosen da sind. Sie sagten einmal, wir sollen schlicht immer Maske tragen. Anstatt am Arbeitsplatz dort ja, da nein, und so weiter. Wäre das für nach dem Lockdown bis zur Impfung am besten, weil’s die Leute nur in dieser Klarheit verstehen?
Ich stehe zu meiner Aussage weiterhin. Es ist eine einfache Maßnahme, die keine Folgeschäden nach sich zieht. Das haben inzwischen zahlreiche Publikationen gezeigt. Chirurgen und Anästhesisten tragen täglich stundenlang Masken. Es gibt keinen, der an einer Kohlendioxidvergiftung gestorben ist. Wir alle – Politiker und Experten – müssen hier mit einer Stimme Klartext reden, dass die Maske unsere einzige Chance sein wird, um einen dritten Lockdown zu verhindern.
Wäre es medizinisch eine ausreichende Strategie, dass wir – vom Wohnzimmer und Waldspaziergang abgesehen – fast überall Masken tragen, Abstand halten und Hände waschen? Provokant gefragt: Sind also nur die Menschen zu dumm oder zu verantwortungslos dafür?
Ja, leider. Ich kann sogar von Diskussionen im Krankenhaus berichten, da greife ich mir an den Kopf. Aber wenn eine Infektion stattgefunden hat, dann sind alle auf gut Wienerisch aus dem Häuschen. Eigentlich dürfte es in Spitälern gar keine K1-Kontakte – also ungeschützte Kontakte – mehr geben. Als Epidemiearzt wundert man sich überhaupt manchmal. Wie kann man Shoppingcenter stürmen, die Masken nicht oder falsch tragen sowie den Abstand vergessen? Manchmal kommt es mir vor wie: Wer nicht hören will, muss fühlen.
Zusätzlich müsste die Kontaktverfolgung von Infizierten wieder ordentlich funktionieren. Dazu braucht es Behörden, die das viel besser als bisher organisieren. Genauso wichtig sind jedoch wir alle, die ehrliche Angaben machen, wen man wo angesteckt haben könnte. Wie ist Ihre Erfahrung mit dieser Ehrlichkeit?
Leider hört man öfters privat oder aus Unternehmen, dass die Kontakte nicht korrekt angegeben werden. Für mich als Epidemiologe ist das eine mittlere Katastrophe, ein absolutes No-Go! Erkrankt zu sein oder ein Kontakt mit einem Kranken, das ist keine Schande. Aber vielleicht ein Lichtblick: In den wissenschaftlichen Medien finden sich zunehmend Daten, dass man die Quarantänezeit zukünftig etwas verkürzen könnte. Das erfordert aber eine Meldedisziplin der Kontakte.
Eine persönliche Frage zum Abschluss: Haben Sie vor dem Virus Angst?
Ich habe keine Angst, möchte aber am Virus nicht erkranken. Trotz geringer Wahrscheinlichkeit, dass ich sterbe: Folgeschäden können wir noch nicht abschätzen. Wenn man Intensivmedizinern zuhört, ist es besser, gesund zu bleiben. Ich trage daher konsequent Maske. Auch wenn die meisten Infektionen zu Hause erfolgen – das Virus entsteht nicht daheim, sondern wird mit nach Hause gebracht.
Zum Abschluss eine Frage an Sie: Im Nachhinein sind wir immer alle schlauer. Wann, glauben Sie, wird man unser aller Handeln in der Pandemie objektiv richtig beurteilen können?
Oje, leider gibt es viele Studien, dass Menschen sich nicht an alles erinnern können oder wollen. Sondern nur an Bruchstücke. Das macht die nachträgliche Beurteilung aller Handlungen in der Pandemie schwierig. Trotz Medienarchiven, wer was wann wie gesagt hat, werden vor allem Politiker in ihrer Kommunikation später nur die richtig gemachten Dinge ansprechen und nicht die falschen Sachen. Da hat eine objektive Wahrheit, so es sie gibt, wenig Chancen.
Nicht jeder Test ist gleich gut. Wir wissen, dass der Antigentest bei symptomatischen – das heißt kranken – Personen die Infektion de facto beweist. Nicht aber wenn jemand ohne Symptome bleibt. Der viel diskutierte Ct-Wert der Virenmenge verdeutlicht das: Je nach Test können die Ergebnisse trotz einer Infektion ab einem Ct-Wert von 26 bis 28 negativ sein. Daher wird meiner Meinung nach die Massentestung nur bedingt aussagekräftig sein. Einen gewissen Prozentsatz von wirklich Infizierten entdeckt man nicht.
Vielleicht klingt deshalb die politische Argumentation nach dem Sprichwort „Hüft’s nix, so schodt’s nix!“, also dass die Massentests einige zusätzliche Infektionen finden und ja nicht schaden würden. Was hätte denn für Sie als Mediziner eher inhaltlichen Mehrwert?
Viel zielführender wäre es, großzügig Personen mit Symptomen und deren Kontakte hiermit rasch zu testen. Noch eins: Auch das Abstreichen im Hals muss gelernt sein. Wir wissen, dass ein schlecht durchgeführter Test mit falsch negativen Ergebnissen einhergehen wird.
Dafür sehen Sie ja die Impfungen sehr vielversprechend. Doch gibt es auch verunsicherte Menschen. Was sagen Sie jemand mit der Angst, dass es ja naturgemäß noch keine Studien zu Langzeitschäden durch eine Coronaimpfung geben kann?
Die Impfstoffe, welche uns zur Verfügung stehen werden, basieren auf lang erprobten Plattformen. Sie verwenden nur Genbruchstücke, damit wir selbst eine schützende Immunantwort entwickeln. Impfstoffe zählen prinzipiell zu den sichersten Medizinprodukten. Bei etwa 100.000 geimpften Personen weltweit gab es bei keiner der bisherigen Studien auch nur eine einzige lebensbedrohliche Nebenwirkung. Selbst bei jungen Menschen ist die Wahrscheinlichkeit, an Corona zu sterben, viel höher, als eine tödliche Impfkomplikation zu erleiden. Also, lassen wir die Kirche im Dorf.
Es wird aber dauern, bis genug Impfstoffdosen da sind. Sie sagten einmal, wir sollen schlicht immer Maske tragen. Anstatt am Arbeitsplatz dort ja, da nein, und so weiter. Wäre das für nach dem Lockdown bis zur Impfung am besten, weil’s die Leute nur in dieser Klarheit verstehen?
Ich stehe zu meiner Aussage weiterhin. Es ist eine einfache Maßnahme, die keine Folgeschäden nach sich zieht. Das haben inzwischen zahlreiche Publikationen gezeigt. Chirurgen und Anästhesisten tragen täglich stundenlang Masken. Es gibt keinen, der an einer Kohlendioxidvergiftung gestorben ist. Wir alle – Politiker und Experten – müssen hier mit einer Stimme Klartext reden, dass die Maske unsere einzige Chance sein wird, um einen dritten Lockdown zu verhindern.
Wäre es medizinisch eine ausreichende Strategie, dass wir – vom Wohnzimmer und Waldspaziergang abgesehen – fast überall Masken tragen, Abstand halten und Hände waschen? Provokant gefragt: Sind also nur die Menschen zu dumm oder zu verantwortungslos dafür?
Ja, leider. Ich kann sogar von Diskussionen im Krankenhaus berichten, da greife ich mir an den Kopf. Aber wenn eine Infektion stattgefunden hat, dann sind alle auf gut Wienerisch aus dem Häuschen. Eigentlich dürfte es in Spitälern gar keine K1-Kontakte – also ungeschützte Kontakte – mehr geben. Als Epidemiearzt wundert man sich überhaupt manchmal. Wie kann man Shoppingcenter stürmen, die Masken nicht oder falsch tragen sowie den Abstand vergessen? Manchmal kommt es mir vor wie: Wer nicht hören will, muss fühlen.
Zusätzlich müsste die Kontaktverfolgung von Infizierten wieder ordentlich funktionieren. Dazu braucht es Behörden, die das viel besser als bisher organisieren. Genauso wichtig sind jedoch wir alle, die ehrliche Angaben machen, wen man wo angesteckt haben könnte. Wie ist Ihre Erfahrung mit dieser Ehrlichkeit?
Leider hört man öfters privat oder aus Unternehmen, dass die Kontakte nicht korrekt angegeben werden. Für mich als Epidemiologe ist das eine mittlere Katastrophe, ein absolutes No-Go! Erkrankt zu sein oder ein Kontakt mit einem Kranken, das ist keine Schande. Aber vielleicht ein Lichtblick: In den wissenschaftlichen Medien finden sich zunehmend Daten, dass man die Quarantänezeit zukünftig etwas verkürzen könnte. Das erfordert aber eine Meldedisziplin der Kontakte.
Eine persönliche Frage zum Abschluss: Haben Sie vor dem Virus Angst?
Ich habe keine Angst, möchte aber am Virus nicht erkranken. Trotz geringer Wahrscheinlichkeit, dass ich sterbe: Folgeschäden können wir noch nicht abschätzen. Wenn man Intensivmedizinern zuhört, ist es besser, gesund zu bleiben. Ich trage daher konsequent Maske. Auch wenn die meisten Infektionen zu Hause erfolgen – das Virus entsteht nicht daheim, sondern wird mit nach Hause gebracht.
Zum Abschluss eine Frage an Sie: Im Nachhinein sind wir immer alle schlauer. Wann, glauben Sie, wird man unser aller Handeln in der Pandemie objektiv richtig beurteilen können?
Oje, leider gibt es viele Studien, dass Menschen sich nicht an alles erinnern können oder wollen. Sondern nur an Bruchstücke. Das macht die nachträgliche Beurteilung aller Handlungen in der Pandemie schwierig. Trotz Medienarchiven, wer was wann wie gesagt hat, werden vor allem Politiker in ihrer Kommunikation später nur die richtig gemachten Dinge ansprechen und nicht die falschen Sachen. Da hat eine objektive Wahrheit, so es sie gibt, wenig Chancen.
Medienspiegel:
2020-10-05 Die zwei Corona-Fehler der Regierung und der Mangel an Eigenverantwortung Florian Asamer – Dje Presss
2020-10-05 Die zwei Corona-Fehler der Regierung und der Mangel an Eigenverantwortung Florian Asamer – Dje Presss
P.S.: Florian Thalhammer ist Infektiologe an der Medizinischen Universität Wien, stellvertretender Ärztlicher Direktor und Epidemiearzt am Universitätsklinikum Allgemeines Krankenhaus (AKH) sowie Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (ÖGIT).
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Donau-Universität Krems und der Karl-Franzens-Universität Graz sowie Leiter des Instituts für Strategieanalysen (ISA) in Wien.