
Zwei Tage nach der Kommission in Brüssel stellte in Wien Umweltministerin Leonore Gewessler (Die Grünen) ihre Pläne vor: den „Mobilitätsmasterplan 2030 für Österreich“. Demnach soll unser Land schon 2040 klima-neutral sein, zehn Jahre vor dem Rest der EU, und schon ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen.
Was bedeutet Klimaneutralität genau?
Ob wir Schuhe kaufen, mit dem Auto fahren oder im Internet surfen – unsere Lebensweise verursacht CO2-Emissionen. Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen diesen Kohlenstoff-Emissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre herzustellen. Vereinfacht gesagt: Nur so viel CO2 auszustoßen, wie der Atmosphäre gleichzeitig entzogen wird, sodass die Summe null ergibt.
Böden, Wälder und Ozeane können zwi-schen 9,5 und II Gigatonnen CO2 pro Jahr aus der Luft filtern und speichern, schätzten Experten 2018. Die globalen CO2-Emissionen 2019 betrugen jedoch 38 Gigatonnen, also bis zu vier Mal so viel.
Von dem angepeilten Nullsummenspiel sind wir also weit entfernt.
Was ist im „Fit for 55“-Paket der EU noch enthalten?
Über das Vorhaben hinaus, ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos neu zuzulassen, sieht das Paket unter anderem eine CO2-Bepreisung im Verkehr und bei Heizungen, weitreichende Änderungen in der Energiebesteuerung sowie einen Klimasozialfonds vor. Was von den Vorschlägen tatsächlich umgesetzt wird, hängt vom Europäischen Parlament, aber vor allem auch von den einzelnen Mitgliedsstaaten ab, denn der Gesetzwerdungsprozess steht erst am Anfang.
Auf welche Maßnahmen setzt Österreich zur Erreichung des Klimaziels?
2022 soll die ökosoziale Steuerreform in Kraft treten, die das Tanken und Verheizen von fossilen Brennstoffen teurer macht.
Im Gegenzug soll es Endastungen geben. Wie diese aussehen werden, wird gerade verhandelt.
Kann ich in Zukunft noch ein neues Auto mit Verbrennungsmotor kaufen?
Wenn die Pläne der EU-Kommission Realität werden, können ab 2035 nur noch Pkw neu zugelassen werden, die beim Fahren kein CO2 ausstoßen – de facto also nur noch Elektro- und Brennstoffzellen-Autos.
Die Möglichkeit, die CO2-Emissionen über klimaneutralen Kraftstoff zu senken, findet im Vorschlag der Kommission keine Berücksichtigung (!!)
ln Stein gemeißelt ist dies jedoch nicht, immerhin müssen noch EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten zustimmen.
Werde ich in Zukunft noch einen Diesel oder Benziner fahren können?
Von einem Fahrverbot für bereits zugelassene Autos mit Verbrennungsmotor ist im „Fit for 55“-Paket der EU nichts zu lesen.
Der österreichische Mobilitätsmasterplan ist da schon klarer: 2040 sollen weitestgehend alle Autos elektrisch sein. Von einem Fahrverbot ist zwar auch darin nicht ausdrücklich die Rede – es wäre auch nicht mit EU-Recht vereinbar -, doch Preissteigerungen beim Tanken, Einfahrtsbeschränkungen in Städte und andere Maßnahmen, die den Druck auf Besitzer von Diesel- und Benzinautos stetig erhöhen, sind im Mobilitätsmasterplan vorgesehen.
Letztlich lässt sich aber die Vision des Klimaschutzministeriums, dass alle Autos nur noch elektrisch fahren, wohl nur mit einem ausdrücklichen Verbrenner-Verbot umsetzen, das auch Bestandsfahrzeuge betrifft.
Haben diese Pläne Auswirkungen auf den Wert meines Fahrzeugs?
Wenn man davon ausgeht, dass es nur ein Neuzulassungsverbot für Verbrennungsmotoren geben wird, Bestandsfahrzeuge aber weiterfahren können, könnte der Wert gebrauchter Diesel- und Benzinfahrzeuge sogar steigen.
Rechnet man aber damit, dass zur Erreichung der Klimaziele auch der Betrieb von Bestandsfahrzeugen verboten wird, dann führt dies voraussichtlich zu einem enormen Wertverlust. Selbst wenn dieser Wertverlast durchschnitdich „nur“ 2.000 Euro pro Fahrzeug betrüge, entstünde den österreichischen Autobesitzern dadurch ein Schaden von ins-gesamt 10 Milliarden Euro. ->
Kann es sich überhaupt ausgehen, dass 2040 alle Autos elektrisch fahren?
Rechnerisch nicht. Derzeit sind in Österreich rund 5,1 Millionen Pkw zugelassen, jedes Jahr kamen bisher rund 300.000 Neufahrzeuge hinzu. Rund ein Prozent dieser Bestandsflotte fährt rein elektrisch. An den Neuzulassungen beträgt der Anteil von Elektroautos derzeit etwa zehn Prozent.
Wenn 2040 allein durch Austausch der Bestandsfahrzeuge alle Autos emissionsfrei fahren sollen, müsste (bei einer durchschnitt-lichen Pkw-Lebensdauer von 20 Jahren) schon heute jedes neu zugelassene Auto ein E-Auto sein — und nicht nur jedes zehnte.
Wir werden 2040 viele voll funktionstüchtige Fahrzeuge wegwerfen müssen, wenn wir den CO2-Fußabdruck von Benzinern und Diesel-Autos nicht durch sauberere Kraftstoffe (z.B. synthetische E-Fuels) reduzieren.
Aber selbst wenn wir es schaffen, dass 2040 nur noch Elektrofahrzeuge fahren, ist es überhaupt möglich, dadurch klimaneutral zu werden?
Aus Sicht vieler Experten reicht eine Umstellung auf Elektromobilität allein bei Weitem nicht. Denn die Erzeugung von Strom ist ja nur mit Sonnenenergie, Wind- oder Wasserkraft klimaneutral. Kommt die Energie aus kalorischen Kraftwerken, die CO2 ausstoßen, ist das Ziel nicht erreichbar.
Wo soll dann nach Meinung der Regierung der benötigte Strom herkommen?
Das Umweltministerium stellt klar, dass der zusätzliche Strom nicht aus Kohle, Gas, Öl oder Atomkraft gewonnen werden soll. Um 2040 die Klimaneutralität im Verkehr zu erreichen, wären laut Mobilitätsmasterplan jedoch 30 Terawattstunden an zusätzlichem erneuerbarem Strom vonnöten. Dies entspricht rund 6.000 zusätzlichen Windrädern oder 15 weiteren Laufkraftwerken in der Dimension des derzeit größten in Altenwörth.
Und wo könnten die vielen erforderlichen neuen Wasserkraftwerke, Fotovoltaik-anlagen und Windparks in Österreich gebaut werden?
Eine Frage, auf die die Umweltministerin in der Zeit im Bild vom 7. Juli 2021 keine Antwort parat hatte. Auf die Anfrage des auto touring reagierte das Ministerium nicht.
Fest steht aber: Werden keine neuen Anlagen gebaut, wird Österreich mehr Strom importieren müssen, der voraussichdich aus fossilen Quellen oder Atomkraftwerken im Ausland kommen muss.
Was soll mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren geschehen, wenn sie generell verboten werden sollten?
Die Verschrottung von funktionstüchtigen Fahrzeugen wäre eine enorme Ressourcenverschwendung. Selbst ihr Verkauf ins Ausland müsste konsequenterweise verboten werden.
Die Produktion neuer (Elektro-) Fahrzeuge, durch die man diese Autos wenigstens teilweise ersetzen müsste, treibt den CO2-Aus- stoß zusätzlich unnötig in die Höhe.
Und es wäre unsinnig: Denn durch den Einsatz von klimaneutralen E-Fuels (synthetischen Kraftstoffen ohne fossilen Anteil) lassen sich die CO2-Emissionen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren im Fährbetrieb auf das Niveau von Elektroautos drücken.
Wenn wir schon nicht genügend erneuerbare Energie für die Elektromobilität bereitstellen können, wie sollen dann (die noch energieintensiveren) E-Fuels produziert werden können?
In Österreich gar nicht. Es ist höchst zweifelhaft, dass 100% des erzeugten Stroms 2030 in Österreich „grün“ sein werden. Aber das Klimaschutzministerium spricht sich klar gegen den Import von E-Fuels aus, die dort produziert werden könnten, wo z.B. Windräder doppelt so effizient betrieben werden können.
Dadurch beraubt Österreich sich ohne Not einer zusätzlichen Chance, die Klimaziele zu erreichen. Doch in Wahrheit können wir es uns nicht leisten, auch nur auf eine Möglichkeit zu verzichten. E-Fuels sind klimaneutral, lassen sich leicht transportieren und in bestehende Verbrennerfahrzeuge (Benziner und Diesel) einfüllen, all das unter Nutzung der jetzt schon bestehenden Infrastruktur.
Sind noch andere Maßnahmen geplant?
Da davon auszugehen ist, dass die Bevölkerungszahl Österreichs und damit der Personenverkehr weiter steigen werden, sieht es das Klimaschutzministerium als notwendig an, dass alle Österreicherinnen und Österreicher künftig um mehr als zehn Prozent weniger unterwegs sein sollten als heute. Dazu sind nach dem Willen der Ministerin eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen, die sich gegen den motorisierten Individualverkehr richten.
Darunter finden sich niedrigere Tempolimits (beispielsweise allgemein Tempo 30 innerhalb des Ortsgebiets), flächendeckende Parkraumbewirtschaftung, Fahrverbote, Reduktion der Verkehrsflächen für Pkw sowie Verteuerungen.
Was bedeutet das insbesondere finanziell für Autofahrer/-innen?
Die EU-Kommission schlägt eine zusätzliche Bepreisung von CO2 vor und auch die österreichische Regierung plant mit der ökosozialen Steuerreform das Tanken teurer zu machen. In beiden Fällen sind zwar auch Endastungen vorgesehen. Es ist aber absehbar, dass das Fahren eines Diesel-Pkw oder eines Benziners jedenfalls teurer werden wird.
Bei der Elektromobilität darf man zwar auf sinkende Fahrzeugpreise hoffen, es wird allerdings schwierig, auch die Strompreise im Zaum zu halten. Auch ist damit zu rechnen, dass Steuerbefreiungen und Förderungen für emissionsfreie Fahrzeuge auslaufen werden. Immerhin schmelzen dem Finanzminister mit steigender Anzahl an E-Autos die Einnahmen aus der Mineralölsteuer, der Norm-verbrauchsabgabe (NOVA) und der motorbe-zogenen Versicherungssteuer dahin.
Warum setzt Österreich sich frühere Ziele als die EU?
Auch das blieb auf Anfrage unbeantwortet. Österreich hat sich das Erreichen der Klima-neutralität schon für 2040 (EU: 2050) und ein Neuzulassungsverbot für Verbrenner schon für 2030 (EU: 2035) vorgenommen. Juristisch wird ein solches Vorpreschen jedoch nicht möglich sein. ■
P.S.: Wer suchet, der findet!
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