Klaus Woltron: Vom hohen Ross der tiefe Fall

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Die EU-Staaten haben sich in eine Auseinandersetzung verwickeln lassen, aus der sich kein positiver Ausgang zeigt.
Wir zahlen mit enormen Energiekosten. Doch ein Frieden ist dadurch nicht in Sicht.

Wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gegeben habe: ,Wir stehen an eurer Seite, so lange, wie ihr uns braucht‘, dann will ich das auch einhalten, egal, was meine deutschen Wähler denken“, so Deutschlands forsche Außenministerin Annalena Baerbock vollmundig. Die Dame ist auf ihrem hohen Ross nicht allein: Viele Gesinnungs-Moralisten im geschützten Bereich denken so.
Ich teile mit der folgenden Situationsanalyse keineswegs die offizielle „Erzählung“, wie es im aktuellen Quacksprech heißt. Man nehme sie vielmehr als irritierenden Denkanstoß eines gewissenhaften Beobachters.
Laut Goldman Sachs ist
das alles erst der Anfang
Feuer ist am Dach: Jüngst verkündete Wladimir Putin, Russland werde seine Gasexporte so lange aussetzen, bis die Sanktionen des Westens beendet sind. Russlands Einnahmen aus Energieexporten haben die Kosten der Invasion bisher übertroffen. Währenddessen explodieren die Energiepreise. Laut Goldman Sachs ist das erst der Anfang: Die Stromrechnungen in Europa werden weiter um zwei Billionen Euro steigen. Sachsen-Anhalts Präsident Kretschmer dazu: „Energiepolitik ist die Achillesferse einer jeden Volkswirtschaft. Deshalb sind wir weiterhin auf russisches Gas und Öl angewiesen.“ Er wurde von der Ukraine postwendend zur persona non grata erklärt.
Aus der EU verlautet, dass man erst 2030 völlig von russischem Gas unabhängig sein wird. Bis dahin versucht man den Schmerz mit Betäubungsmitteln zu lindern.
2,5 Milliarden stellt man hierzulande für eine Strompreisbremse bereit: Bis zu einem Verbrauch von 2900 Kilowattstunden/Jahr werden nur 10 Cent pro kWh verrechnet. Das beglückt mehr als die Hälfte aller Haushalte und befreit sie vom Energiesparzwang. Jenseits dieser Grenze droht der teure Tarif.
Werden damit aktuelle Probleme mittels Schulden für die Zukunft zugedeckt?
Was tun, wenn das Geld alle ist und immer noch kein Gas kommt? Einen aus den Fugen geratenen Energiemarkt kann der Staat auf die Dauer nicht bändigen.
Woher kam all dieses Ungemach? Russland drang gewaltsam in die Ukraine ein. Die komplexen Beweggründe dafür werden hier nicht weiter ausgeführt. Mit Hilfen von über 8 Milliarden Dollar haben die Amerikaner der Ukraine bislang mehr als das Doppelte der EU an Hilfen zur Verfügung gestellt.
Es entwickelte sich ein Stellvertreterkrieg USA gegen Russland.
Die propagandistischen Aktivitäten zwecks Erhöhung dieser Hilfen durch die EU erreichten die Dimension moralischer Erpressung. „Wenn die Offensive im Süden schiefgeht, weil zu wenig Gefechtsfahrzeuge da sind, dann haben wir (die Europäer) eine Teilschuld auf uns geladen“, so General Wittmann, Direktor Academic Planning and Policy NATO a.D.
Parallel dazu malt man das Schreckgespenst eines weiteren russischen Vormarsches an die Wand: „Wenn die Ukraine fällt, wird Putin bis nach Berlin marschieren“, so der ukrainische Minister für Informationspolitik, Tkachenko.
Dass eine solche Aktion zu einer Konfrontation mit der NATO führen und damit einen Weltkrieg auslösen würde, wird verschwiegen: Derartiges werden die Russen niemals wagen.
All diese Schreckensvisionen dienen dazu, den Bürgern im Westen Angst einzuflößen und die Bereitschaft für weitere Unterstützungen des Kriegs aufrechtzuerhalten.
Die Nutznießer dieser Lage sind die USA. Der Erzfeind Russland wurde isoliert, ein Keil zwischen die EU und ihren wichtigsten Rohstofflieferanten getrieben, die hungrige Waffenindustrie mit Aufträgen versorgt und die Energieversorgung Europas vom teuren Fracking-Gas aus Amerika abhängig gemacht. Leidtragende sind die ukrainischen Soldaten und die Zivilbevölkerung.
Die EU-Staaten haben sich in eine Auseinandersetzung verwickeln lassen, aus der sich kein positiver Ausgang zeigt – ob Putin nun abgewehrt wird oder nicht: Ohne die Versorgung mit Gas und Öl aus Russland wird Europa bis Ende des Jahrzehnts noch unter krassem Energiemangel leiden und die Exportindustrie zusammenbrechen.
Auch Gas zu speichern hilft nur begrenzt: Wie lange der österreichische Gasvorrat reichen wird, ist unklar. Manche vermuten, nur 25% der bislang eingelagerten Bestände stünden uns derzeit zur Verfügung. Erschreckend wenig.
Soziale Verwerfungen werden keinen Stein auf dem anderen lassen. In
vergleichbaren Zeiten „ … verschwanden Patriotismus, soziale Verpflichtungen und Moral. Die Bereitschaft, Regeln zu brechen, war groß“. (Adam Fergusson, 1975)
Die Wahlen in Italien lassen einen Erdrutsch befürchten, kommende Urnengänge in Österreich werden mittlere Beben auslösen.
Fazit: Europäische Staatenlenker ließen sich zu einem Kurs verführen, von dem es kein Abweichen ohne gewaltigen Gesichtsverlust und Schaden mehr gibt. „Die Waffen müssen schweigen, das Sterben muss aufhören, sonst stürzt die ganze Welt ins Chaos“, so der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Davon ist man allerdings weit entfernt.
Währenddessen dauert in Brüssel die Eifersüchtelei zwischen Frau v. d. Leyen und dem Ratspräsidenten an. Dieser hatte die Kommissionspräsidentin bereits im Oktober 2021 aufgefordert, Lösungen für die Energiepreis-Notlage auf den Tisch zu legen. Nun, neun Monate später, da das Kind schon im Brunnen schreit, bequemt man sich zu einer Empfehlung. Die Feuerwehr debattiert, während das Haus längst lichterloh brennt.