Dieser Plan zeigt, wie die letzten sechs Atomkraftwerke doch noch überleben könnten

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Betriebe man die in Deutschland verbliebenen Atomkraftwerke weiter, ließe sich eine Gigatonne CO2 einsparen – und Versorgungssicherheit gewährleisten. Zwei ehemals hochrangige Energiemanager erklären exklusiv für WELT, wie sich der Weiterbetrieb organisieren ließe.

GROHNDE, GERMANY - JULY 07: A general view of the nuclear power plant Grohnde on July 7, 2008 in Grohnde near Hameln, Germany. Differences over nuclear power surfaced on the sidelines of the Group of Eight summit in Toyako, Japan. (Photo by Thomas Starke/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Grohnde ist eines der Atomkraftwerke, die in Deutschland noch Strom liefern
Quelle: Getty Images
Betriebe man die in Deutschland verbliebenen Atomkraftwerke weiter, ließe sich eine Gigatonne CO2 einsparen – und Versorgungssicherheit gewährleisten. Zwei ehemals hochrangige Energiemanager erklären exklusiv für WELT, wie sich der Weiterbetrieb organisieren ließe.

Die Zeit drängt. In gut acht Wochen werden drei der letzten sechs deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet, in 14 Monaten folgt der Rest. In kürzester Zeit verliert Deutschland eine Stromquelle, die pro Jahr 64 Milliarden Kilowattstunden klimafreundliche Elektrizität produziert. Das ist mehr, als alle seit Beginn der Energiewende installierten Solaranlagen bereitstellen. Was da abgeschaltet wird, trägt bislang zur sauberen Stromerzeugung in Deutschland in etwa so viel bei wie 15.000 der insgesamt 30.000 Windräder.

Eine Gigatonne CO2 ließe sich einsparen, wenn man die Reaktoren weiter betreiben würde, haben technologisch orientierte Klimaschutz-Vereine wie „Öko-Moderne e.V.“ berechnet. Solche Organisationen haben sich zur Initiative „saveger6“ zusammengeschlossen, eine Abkürzung für „save Germany’s six“, zur „Rettung“ der letzten sechs deutschen Atomkraftwerke.

Bei einer Gigatonne CO2 handelt es sich um eine erhebliche Menge. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht vorgegeben, dass Deutschland insgesamt und auf alle Zeiten nur noch ein CO2-Budget von 8,7 Gigatonnen zur Verfügung steht – und das muss laut Richterspruch mit nachfolgenden Generationen geteilt werden.

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Angesichts dieser Beschränkung und vor dem Hintergrund eines rapide steigenden Strombedarfs könnte es also geradezu als verfassungswidrig erscheinen, eine CO2-freie Stromquelle dieser Größenordnung stillzulegen – doch wo kein Kläger, da kein Richter. So vergiftet ist die öffentliche Debatte in Deutschland, dass es kein Politiker und kein Wissenschaftler wagt, für den Weiterbetrieb der Anlagen einzutreten: Denn unter der Begleitmusik gut orchestrierter Shitstorms in den sozialen Medien drohte die gesellschaftliche Ächtung.

Wohl auch aus diesem Grund wollen zwei ehemals hochrangige Energiemanager nicht namentlich genannt werden, die für WELT aufgeschrieben haben, was nötig wäre, um die sechs zur Abschaltung anstehenden Reaktoren noch für den Klimaschutz zu retten. Ein Leitfaden, der nur funktioniert, wenn die neue Bundesregierung ihm kurzfristig folgt.

Ist Atomkraft die Lösung?

Es ist nicht nur ein Gefühl, dass alles immer teurer wird. Besonders die Energiepreise treiben die aktuelle Inflation auf neue Rekordhöhen. Dass Russland demnächst mehr Gas liefern will, verdeutlicht lediglich unsere Abhängigkeit vom Gas, doch was ist die Lösung?

Quelle: WELT/Sebastian Plantholt

Denn insbesondere hinsichtlich der bereits Ende dieses Jahres anstehenden Abschaltung dreier AKW bedürfe es „schnellstmöglich der Kurskorrektur“. Nach dem Muster der von Grünen und Umweltaktivisten geforderten klimapolitischen „Sofortprogramme“ müsste sich die neue Bundesregierung auch auf ein atompolitisches Sofortprogramm einigen. Politisch ist das unrealistisch. Doch wird es nicht umgesetzt, wird auch das Erreichen der deutschen Klimaziele bis 2030 genau das: unrealistisch.

Dem Leitfaden zufolge müsste die neue Regierung zunächst das Atomgesetz novellieren, also umschreiben. Vor allem Paragraf 7, der die Laufzeitbegrenzung festschreibt, müsste geändert werden. Ein „öffentlich-rechtlicher Vertrag“ müsste zudem fortdauernde Laufzeiten garantieren und notwendige Investitionen absichern.

Quelle: Infografik WELT

Ein solcher Vertrag wäre nötig, weil er auch die nachfolgenden Regierungen binden würde. Einfache Gesetzesänderungen würden sonst schnell wieder rückgängig gemacht. Ein solches Hin und Her hat es in der Regierungszeit Angela Merkels schließlich häufiger gegeben. Das Vertrauen in die Haltbarkeit politischer Entscheidungen ist seither dahin – und verhindert fast jede Art von Investition in Kraftwerke zur Absicherung der Energiewende.

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Eine Hürde wäre die Bereitschaft der AKW-Betreiber: Sie würden sich „nach den desaströsen Erfahrungen im Umgang mit politischen Risiken nicht ohne Weiteres engagieren“, meinen die Experten, die selber lange in der Kernkraft-Branche aktiv waren, es aber nicht mehr sind. „Die Politik müsste sehr schnell und überzeugend Vorschläge machen, damit die Betreiber ihr Personal an Bord halten können“, heißt es in dem Leitfaden.

Die Betreiber der verbleibenden sechs Atomkraftwerke in Deutschland – RWE, der E.on-Ableger PreußenElektra und EnBW – hatten erklärt, eine Verlängerung der Laufzeiten nicht in Betracht zu ziehen. Blieben sie bei der Entscheidung, gäbe es nur eine Lösung, erklären die Experten: Der Staat müsste die laufenden Kernkraftwerke übernehmen.

Nur auf den ersten Blick erscheinen Kraftwerke in staatlicher Hand als systemwidrige Fremdkörper im deutschen Energiemarkt, der im Jahre 1998 vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) liberalisiert worden war. Doch in der Realität existiert heute bereits eine große Zahl an Kohle- und Gaskraftwerken, die „nicht am Markt teilnehmen“, wie es in der Fachsprache heißt, sondern rein nach gesetzlicher Maßgabe und zum Teil gegen den Willen ihrer Eigentümer weiter betrieben werden.

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Dazu gehören etwa die Kraftwerke der staatlichen Kapazitätsreserve, über deren Einsatz nicht der Markt, sondern die Stromnetzbetreiber entscheiden dürfen. Darunter gehören auch Anlagen, die allein für diesen Zweck nach staatlicher Ausschreibung neu errichtet werden. Insgesamt dürften Schätzungen zufolge heute bereits mehr als 14 Gigawatt dieser „heimlichen“ Staatskraftwerke am Netz sein.

Staatliche Atomkraftwerke zur Absicherung der wetterbedingt unsicheren Wind- und Solareinspeisung, sowie zur Bereitstellung großer Mengen CO2-freier Elektrizität wären also nicht so systemwidrig, wie es zunächst scheint. Schließlich werden auch im europäischen Ausland zahlreiche Atomkraftwerke von staatlichen Energieversorgern betrieben. Als größte Hürde erscheint den Fachleuten gleichwohl die politische Überzeugungsarbeit. Sie sehen vier Begründungen, die lagerübergreifend überzeugen könnten für eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten.

Vielleicht ließen sich wenigstens drei Kraftwerke retten

Die fortschreitende globale Erwärmung verlange nach einer „Neubewertung der Risiken“ von CO2-intensiver Energietechnologie. Kernkraft sollte der klimaschädlichen Gas- und Kohlekraft als Brücke zu Erneuerbaren Energien vorgezogen werden. In Betrieb befindliche Kernkraftwerke würden Vorrang bekommen. Mit bereits laufenden AKW ließe sich die Stromversorgung am einfachsten sicherstellen und Energiekosten im Griff behalten.

In Kreisen der FDP, die für eine Verlängerung der Laufzeiten eintreten, ernten die Vorschläge Zurückhaltung. Mit dem Thema würden die Koalitionspartner die Grünen provozieren und deren Kompromissbereitschaft auf anderen Themengebieten infrage stellen, heißt es. Vielleicht ließen sich aber, so die Hoffnung, nach der Regierungsbildung im nächsten Jahr wenigstens drei Kernkraftwerke retten.

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