Christian Ortner: Wollen wir wirklich Untertanen der Chinesen werden?

 Die überhastete Mobilitätswende in der EU könnte dazu führen, dass China künftig die Europäer am Nasenring durch die globale Manege treibt.

Dass Europa, wie immer, wenn es um die Rettung der Welt geht, angeführt von Deutschland, jüngst die möglichst schnelle und möglichst weitgehende Umstellung seines Individualverkehrs von Benzin und Diesel auf elektrische Antriebe beschlossen hat, dürfte für Chinas autoritären Staatschef Xi Jinping eine Art Sechser im geopolitischen Poker um die Macht gewesen sein.

Denn mit dem Beschluss, schon bald nur noch Stromer zu verwenden, droht Europa eine umfassende neue Abhängigkeit von China und dessen Alleinherrscher. Vom Ausmaß her ist diese drohende neue Abhängigkeit so bedrohlich, dass die aktuelle von Russland des Gases wegen vergleichsweise harmlos erscheint.

Extra trocken, aber sehr präzise hat das kürzlich die „NZZ“ beschrieben: „Die tendenziell planwirtschaftlich orchestrierte deutsche Energiewende hat sich zu einem Desaster entwickelt. Es hätte wohl auch ein kleines Wunder benötigt, damit die hohe Abhängigkeit von russischem Gas in Kombination mit dem etwa zeitgleichen Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohleverstromung mittel- bis langfristig gutgeht. Das gleiche Unheil droht nun bei der Mobilitätswende. Durch die einseitige Fokussierung auf batterieelektrische Fahrzeuge entstehen bei den dafür benötigten Rohstoffen neue Abhängigkeiten, die dereinst zu erheblichen Versorgungsproblemen mit gravierenden Folgen führen könnten.“

Schon vor einem Jahr hat die „Internationale Energieagentur“ (IEA) in einem Report davor gewarnt, dass eine Reihe der für E-Mobilität zwingend notwendigen Rohstoffe wie Lithium, Nickel oder Kobalt nicht wie etwa Erdöl rund um die Welt gefördert werden können, sondern meist nur in einer Handvoll von Staaten vorkommen; darunter leider vor allem China und Russland, wobei die Weiterverarbeitung überhaupt in China konzentriert ist.

Damit spielt die Art und Weise, wie Europas Politik die Elektromobilität geradezu fetischisiert, den globalen Machtambitionen der Chinesen perfekt in die Hände. Hat China erst mal die De-facto-Kontrolle über Europas Autoindustrie, aber auch der Produktion aller anderen für die Energiewende nötigen Industrien (die ebenfalls diese Rohstoffe benötigen), hat Peking ein dramatisches Erpressungspotenzial gegenüber den Europäern. Mit enormen praktischen Auswirkungen. So droht zwar Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock den Chinesen mit Vergeltung, sollten die versuchen, Taiwan militärisch zu erobern. Doch wenn China erst die Möglichkeit hat, der deutschen Wirtschaft lebenswichtige Rohstoffe abzudrehen, dürfte von der Drohung nicht mehr viel übrig bleiben. Das gilt umso mehr, als ein ohnehin von der Energiekrise gestresstes Europa mit einer dank Verkehrswende noch viel bedrohlicheren Lithiumkrise wohl nur mehr sehr schlecht zurechtkommen würde.

Es mutet etwas befremdlich an, dass die Deutschen zwar gerade begreifen, dass es keine besonders schlaue Idee war, sich beim Erdgas so völlig von Russland abhängig zu machen – und trotzdem ungerührt denselben Fehler wiederholen, indem auf dem Altar der Mobilitätswende ein Opfer dargebracht wird in Form einer neuen Abhängigkeit von China. Und ganz Europa wie benommen den Deutschen ins absehbare nächste Unglück folgt.

Es vergeht, seit Putin Gas als Waffe einsetzt, kaum ein Tag, an dem nicht in irgendeinem Leitartikel gefordert wird, künftig mehr auf Diversifizierung zu achten. Dass gleichzeitig, gedeckt durch das Killerargument Klimawandel, der planwirtschaftlich erzwungene Ausstieg aus dem Verbrennermotor zugunsten der Stromer das genaue Gegenteil bewirkt, also noch weniger Diversifizierung und noch mehr Abhängigkeit von üblen Regimes, deutet nicht darauf hin, dass die Politik aus Fehlern lernt.

In den letzten Monaten sind viele Dogmen unter dem Eindruck des Krieges gefallen, sogar der Atomausstieg steht wieder zur Disposition, auch bei Teilen der Grünen. Es wäre Zeit, auch die überhastete und zu sehr auf Elektromotore fixierte Mobilitätswende zu überdenken.