Die Diktatutr der Minderheiten

Manche Diskussionen sind schwierig nachzuvermessen. Man weiß nicht: Hat man es mit einem gewaltigen gesellschaftlichen Umbruchprozess zu tun? Oder mit argumentatorischen Scheinriesen, die, je mehr man sich ihnen nähert, umso unwichtiger und kleiner werden? Eine dieser schwer zu gewichtenden Debatten ist der online schwelende Kulturkampf, dessen gemeinsamer Nenner – dazu gleich mehr – die Identität ist. Diese Debatte ist in viele Lebensbereiche vorgedrungen – aber bei Weitem nicht im Zentrum der Gesellschaft angekommen. Wie wichtig ist sie demnach? Die Nachrichten, die von ihr in die Mitte herüberschwappen, klingen wie eine Mischung aus akut drohender Diktatur, längst überfälliger Entkrustung und Sommerloch.

Zensur! Phobie!

Die jüngsten Beispiele: Autoren beklagen in einem offenen Brief drohende Zensur von links. Nicht in China, sondern in Amerika und Europa. Und: Es wird hitzig verlangt und hitzig abgelehnt, bestimmte Wörter – etwa den „Mohr“ – einzumotten, um niemanden zu beleidigen. (2020-07-05 Das Ende des „Mohren“ – Gert Korentschnig – Kurier)
Und: Donald Trumps Anhänger sagen: Wird der Präsident abgewählt, ist er Opfer nicht eines demokratischen Prozesses, sondern der „linksfaschistischen“ (ja, das Wort gibt’s noch!) „Cancel Culture“ geworden. Die will erreichen, dass unliebsame Figuren (auch historische in Form von Denkmälern) aus der Öffentlichkeit „gelöscht“ werden. Und: Der „Harry Potter“-Autorin Joanne K. Rowling wird vorgeworfen, transsexuellenfeindlich zu sein. Wie das alles etwa auch mit den Antirassismus-Protesten und den Denkmalstürzen zusammenhängt? Wer hier verwirrt ist, ist nicht allein. Im Folgenden ein einordnender Wegweiser durch das Dickicht der Identitätspolitik*.

Der zentrale Begriff: Die Identität

Darum dreht sich alles: Im Zentrum all dieser Debatten steht die Identität, als Weißer, als Schwarzer, als Hetero- oder Homosexueller, als Liberaler oder Konservativer, als Stadt- oder Landmensch, als Frau, als Mann oder nichts bzw. alles davon.

Ja, und weiter?

Jede dieser Gruppen fordert selbstbestimmte Würde allein wegen ihrer Identität ein. Sie wollen festlegen, wie über sie gesprochen wird und wo ihr Platz in der Welt ist. Ausgegangen ist das alles von liberalen US-Universitäten. Das aufschlussreichste Buch dazu: Francis Fukuyama, „Identität“. Für viele schwierig zu fassen ist diese Debatte, weil das in Österreich unauslöschlich eingebrannte politische Rechts-Links-Schema bei der Bewertung scheitert. Denn auch als linksliberal verbuchte Gruppierungen übernehmen hier die traditionelle Argumentation der Nationalisten: Es geht nicht darum, was jemand aus sich macht oder erreicht hat. Sondern ausschließlich darum, was er ist. Und was man ist, bestimmt man wiederum selbst durch Behauptung.

Aber was soll damit erreicht werden?

Bei den Nationalisten geht es um identitätsbegründete Überlegenheit: „Meine Bevölkerungsgruppe ist besser als die anderen.“ Bei der Identitätsdiskussion aber geht es um das Beenden von Unterlegenheit. Jede Gruppe fordert, nicht mehr diskriminiert zu werden, weder sprachlich noch gesellschaftlich.

Warum also soll ich nicht „Mohr“ sagen?

Die Machteinforderung von unten funktioniert zumeist über die Sprache. Die Diskriminierten verbieten den Diskriminierenden das Wort. Die jüngste Diskussion um den „Mohren“ ist ein Beispiel von vielen: Alte und neue Herrschaftssprache soll abgeschafft werden. Von den Betroffenen als unwürdig empfundene Wörter sollen aus dem Sprachgebrauch verschwinden. An dieser Front des Kulturkampfes erreicht man mit wenigen Mitteln viel: Geht es um vermeintliche Einschränkungen der Sprache, reagieren viele Menschen mit übermäßiger Wut. Plötzlich gibt es laute Stimmen, die jedes kaum noch gebrauchte Wort oder die Namen von Unternehmen bzw. Produkten verteidigen, als ginge es zumindest um den Untergang des Abendlandes. Und so erlangt eine kleine Debatte großes Aufsehen – und übergroße Wirkung.

Und warum will man Denkmäler entfernen?

Auch hier gilt: Denkmäler für historisch nicht astreine Figuren sollen aus der Öffentlichkeit verbannt werden, andernfalls sie die Würde Betroffener verletzen können. In Wien geht es da aktuell u. a. um das Lueger-Denkmal. Eine Debatte um Denkmäler und Straßennamen mit NS-Bezug gibt es jedoch schon länger.

Was soll das bringen? Und wem?

In der sogenannten „Cancel Culture“, einer Ausformung der Identitätspolitik*, ist jede geortete Verfehlung ein Grund, aus der Geschichte, der Debatte, dem Berufsleben „gelöscht“ zu werden. Das betrifft nicht nur historische, sondern auch aktuelle Figuren. Hier knüpft einer der großen Kritikpunkte an der Identitätsdebatte an: Dass nämlich deren kompromisslosen Maßstäbe nicht zu den unweigerlichen Schattierungen des Menschseins passen. Dagegen haben sich die Autoren in ihrem erwähnten offenen Brief gewandt: Abweichende Meinungen oder auch ambivalente Biografien würden vollständig abgelehnt, verbreitete Widersprüchlichkeiten nicht zugelassen und offene Diskussion eingeschränkt. „Wir müssen uns die Möglichkeit einer Meinungsverschiedenheit ohne schlimme berufliche Konsequenzen erhalten“, heißt es in dem offenen Brief.

Ist das alles mehr als eine Studentenspinnerei?

Es ist zuvorderst eine neue Form des Protests, eine gesellschaftliche Bewegung, die sich gegen die Etablierten richtet. Dass dies den Angesprochenen nicht passt, liegt in der Natur der Sache. Das war bei früheren Protestbewegungen genau so: Der Grad der Ablehnung verweist durchaus darauf, dass hier wunde Punkte getroffen werden. Wo überall Diskriminierung aufgezeigt wird, rührt an schmerzlichen Orten der Gesellschaft. Obwohl etwa Europa die „Black Lives Matter“-Debatte vielleicht ein wenig zu willig übernommen hat. Es ist leichter, sich mit der kleinen Minderheit der hiesigen Schwarzen zu solidarisieren als mit jenen großen Gruppen, über die man schmerzhafte Integrationsdebatten führen könnte, allen voran die türkische.

Was sind die Auswirkungen von all dem?

Groß und winzig zugleich. Identität bestimmt weltweit die Politik, von Trumps Appell an die Zukurzgekommenen bis zur hiesigen Flüchtlingsdebatte. Damit gewinnt man Wahlen. Dort aber, wo die Diskriminierten selbst die Identitätsdebatte führen, sprechen einflussferne Schichten mit voneinander höchst divergierenden Interessen. Ihr realer Einfluss ist dementsprechend klein.

Wozu also die Aufregung über all das?

Die Debatte emotionalisiert höchst unterschiedliche Gruppen – und Emotion lässt sich nützen: Sie ist die harte Währung der Politik. Auch wenn hier zumeist stumpfe Waffen (wen muss es wirklich kümmern, was Facebooknutzer so posten?) mit umso mehr Geschrei geschwungen werden: Die Debatte rund um Minderheiten, Diskriminierung, Sprache und Geschichtshoheit lässt sich von allen Seiten hervorragend instrumentalisieren. Dementsprechend lange wird sie uns begleiten.

Die Diskussion über dringend notwendige Maßnahmen verläuft zu undifferenziert!

Im Fokus der Betrachtungen steht nur der individuelle Personenverkehr (mit dem “Privat”-PKW) und der Umstieg auf “Öffies”, deren Beitrag zu den Schad-Emmissionen weniger streng betrachtet wird.
Die Umstellung des individuellen und öffentlichen Güter- und Personenverkehrs, der einen erheblichen Anteil an den “Verkehrsemmissionen” erzeugt, führt in den Diskussionen meist ein Schattendasein.

Die Lösung sind nicht Fahrzeuge mit geringeren Emmissionen, sonder schlicht: WENIGER Fahrzeuge!
Nur so können m.E. das Verkehrschaos und die Schadstoffbelastungen effektiv reduziert werden.

Klimaschutz – geht das? – NEIN, geht nicht!

Klimaschutz – geht das? – NEIN, geht nicht!

Klimaschutz – geht das? – NEIN, geht nicht!

Medienspiegel / Archiv

Medienspiegel

2021-03-22 “Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei” – Andreas Lueg / ttt  
Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei ▶#9654;

Darf eine Übersetzerin weißer Hautfarbe das Gedicht “The Hill We Climb” der schwarzen Schriftstellerin Amanda Gorman übersetzen oder ist das eine politisch unkorrekte, anmaßende “kulturelle Aneignung”?
Oder, in letzter Konsequenz: Darf ein Nicht-Italiener Pizza backen?

In den Sozialen Medien bricht sich eine neue Verbotskultur Bahn. “Generation Beleidigt – von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei” überschreibt die französische Feministin Caroline Fourest ihre Analyse linken identitätspolitischen Denkens, das auf Kultur und Gesellschaft übergreift, Debatten unter Verdacht stellt und damit den gesellschaftlichen Diskurs ersticken könnte. Ein Gedicht bewegt die Welt “The Hill We Climb” von Amanda Gorman”The Hill We Climb” von Amanda Gorman | Bild: Das Erste Die ganze Welt hat Amanda Gorman bewegt mit ihrem Gedicht, ein Appell an Schwarz und Weiß, Amerikas Wunden zu heilen: mit-, nicht gegeneinander. Und jetzt, nur ein paar Wochen später der Streit darüber, wer “The Hill We Climb” in europäische Sprachen übertragen darf: Bereits beauftragte, weiße ÜbersetzerInnen zogen nach Kritik schwarzer Aktivisten zurück oder wurden von ihrem Verlag gefeuert. Der Katalane Victor Obiols fragte nach: Ob er auch Homer besser nicht übersetzt hätte, da er heute lebe und kein Grieche sei. “Es sind jetzt schon mehrere Übersetzer in Europa, die die Gedichte von Amanda Gorman, dieser jungen schwarzen amerikanischen Dichterin, nicht übersetzen durften, weil ihre Größe, ihre Hautfarbe, ihr Geschlecht nicht stimmten. Wenn es jetzt soweit kommt, dass man die gleiche Hautfarbe, die gleiche Identität wie der Autor haben muss, um ihn übersetzen zu können, sagt das viel über die an sich tief rassistische Mentalität aus, zu der wir gerade wieder zurückgehen. Unter dem Vorwand des Antirassismus wird die am meisten rassistische aller Zuordnungen rehabilitiert”, erklärt Publizistin Caroline Fourest. Fourest kritisiert neue Empörungs- und Verbots-Manie Publizistin Caroline FourestPublizistin Caroline Fourest | Bild: Das Erste Caroline Fourest, Autorin, Filmemacherin, Feministin, Linke. In Frankreich kennt sie fast jeder – als streitlustige Publizistin und Kritikerin auch des eigenen Lagers. In ihrem Buch “Generation Beleidigt” denunziert Fourest eine neue Empörungs- und Verbots-Manie, die Zensur freien Denkens durch eine linke Sprach- und Gedankenpolizei – die Diktatur der Hypersensiblen. An linken US-Unis entfesseln “rassistisch beleidigte” Studenten Hexenjagden auf ihre ausgewiesen antirassistische Professoren. Mal wird einem angst und bang, mal muss man lachen. “Es gibt seit Jahren unerhörte Polemiken über Mensa-Gerichte, die vom Originalrezept im Ursprungsland abweichen und die deshalb als Verbrechen gegen dessen Kultur angeprangert werden. Studenten in Montreal, Kanada wollten einen Yoga-Kurs abschaffen, in dem sie kulturelle Aneignung, eine Einvernahme der indischen Kultur erblickten. Vieles davon kommt jetzt auch nach Europa”, erzählt Caroline Fourest. Wer darf “The Hill We Climb” übersetzen? Tim Jung, Verlagsleiter Hoffmann und Campe-VerlagTim Jung, Verlagsleiter Hoffmann und Campe-Verlag | Bild: Das Erste Schon bevor eine schwarze Aktivistin in den Niederlanden den Streit um die weiße Übersetzerin des Amanda-Gorman-Gedichts lostrat, beauftragte der Hoffmann und Campe-Verlag ein Dreier-Team: Zusammen mit der Übersetzerin Uda Sträting bemühten sich eine deutschtürkische Journalistin und eine Rassismus-Expertin um das Gedicht von Amanda Gorman. “Irgendwer hat uns zuletzt ja tatsächlich vorauseilenden Gehorsam unterstellt in der Presse. Dazu kann ich sagen: Das ist, mit Verlaub, völliger Quatsch”, so Tim Jung, der Verlagsleiter des Hoffmann und Campe-Verlags. Rassismus-Expertin Hadija Haruna-OelkerRassismus-Expertin Hadija Haruna-Oelker | Bild: Das Erste Man kann es auch so sehen – es geht auch um die überfällige Korrektur einer bislang nie hinterfragten Machtstruktur im Kulturbetrieb. “Ich finde es wirklich ungemein bezeichnend, dass permanent gefragt wird, ob Weiße jetzt keine Schwarzen übersetzen dürfen. Warum sollten Schwarze keine Schwarzen übersetzen, warum sollten sie es nicht beide zusammen tun, warum sollte es keine Teams geben? Und muss man weiß sein, um im Mainstream-Literaturbetrieb zur Kenntnis genommen zu werden?”, fragt Rassismus-Expertin Hadija Haruna-Oelker. Übersetzungsarbeit als Brückenbau Olga Radetzkaja, Literarische ÜbersetzerinOlga Radetzkaja, Literarische Übersetzerin | Bild: Das Erste Die Literatur-Übersetzerin Olga Radetzkaja versteht ihre Arbeit als Brückenbau, als Berührung mit dem Anderen. Diese Absicht vermisst sie im Gezerre um das Gedicht von Amanda Gorman. “Aus meiner Sicht geht es da eigentlich nicht vorrangig um Übersetzung oder eigentlich vielleicht sogar gar nicht um Übersetzung. Was die Verlage jetzt machen – es ist ja auch nicht nur Hoffmann und Campe, es breitet sich ja aus – ist eben, dass sie auch an diese Stelle der Übersetzenden eine Symbolfigur setzen wollen. Nicht die kompetenteste Übersetzerin, sondern jemanden, der etwas Ähnliches verkörpert. Und die Übersetzung soll dann schon auch noch gut sein, deshalb engagiert man dann noch eine Übersetzerin dazu, ja?”, so Radetzkaja. Über die Unterschiede das Gemeinsame suchen – darauf kommt es an. Einander zuhören. Ganz im Sinne Amanda Gormans. Fourest über Intoleranz, Denkverbote und Dogmen In Paris dagegen kann Caroline Fourest keinen Frieden mit der Intoleranz finden, den Denkverboten, den Dogmen. Die frühere Charlie-Hebdo-Mitarbeiterin hat wie ihre Stadt, wie Frankreich unauslöschliche Erfahrungen mit dem Fundamentalismus gemacht. “Mich attackieren linke Studenten, die sich mit islamistischen Aktivisten verbündet haben. Sie versuchen, mich zum Schweigen zu bringen, beschimpfen mich als islamfeindlich – dabei verteidige ich als Feministin nur den Laizismus”, erzählt Caroline Fourest. Einst, so erinnert sich Caroline Fourest in ihrem Buch, stand die Linke für die Idee: Eine andere Welt ist möglich. Daraus seien nun neue geistige Ghettos geworden. Denkverbote. Dagegen setzt sie ihr kämpferisches Credo – für das Leben lernen, heißt von den Frauen lernen: “Durch Me-too wurde sich die Welt endlich schrecklicher Phänomene bewusst, die der Feminismus schon seit Jahrzehnten anprangert. Man muss irgendwann seinen Mut zusammennehmen und klar sagen: Dieses Beleidigtsein wegen nichts ist lächerlich – kümmern wir uns um das Wichtige! Wenn jeder nur mehr im Namen seiner Gruppe, seiner Hautfarbe, seines Geschlechts redet – dann sind alle miteinander im Krieg, nur um festzustellen, wer das größte Opfer ist”, meint Caroline Fourest.

2021-04-01 Es geht nicht um mehr Elektro-, sondern um weniger Autos – Felix Dorn – Presse öffnen
Neue Technik, neue Rohstoffe, neue Konflikte: Vom fragwürdigen Segen der E-Mobilität.
Statt Luxus-E-Mobile mit Umweltprämien zu bezuschussen, sollte das Ziel lauten: Nicht mehr Elektro-, sondern weniger Autos.

Irrwitzige Verkehrsplanung

Die Südosttangte – auch der größte Parkplatz Österreichs genannt – markierte mit den Eröffnungen der Baubschnitte “Knoten Inzersdorf – Anschlussstelle Wien-Favoriten” am 19.12.1970 und des Abschnitts “Knoten Prater–Knoten Kaisermühlen” am 22.12.1970 den Startpunkt einer irrwitzigen Verkehrsplannung in Wien.