Statt des Pfands auf Einwegflaschen, wie es Umweltministerin Gewessler (Grüne) plant, will die Wirtschaft eine österreichweite einheitliche Sammelstruktur für Kunststoff und das Plastik auch direkt in den Haushalten sammeln.
Wien. Der Termin stand bereits fest, eine Delegation von Wirtschaftskammer und Branchenvertretern war quasi schon auf dem Sprung ins Ministerium, da kam die Nachricht von Umweltministerin Leonore Gewessler per SMS: „Ich hatte gestern Kontakt mit einer potenziell Covid19-infizierten Person . . . .“ Die Ministerin begab sich in Selbstisolation, den knapp 60-seitigen Alternativplan der Wirtschaft zum geplanten Pfandsystem konnte sie vorerst nicht entgegennehmen. Die „Presse“ hingegen schon. Unterm Strich fordert die Wirtschaft kein zweites kostspieliges Pfandsystem, sondern eine einheitliche Struktur für ganz Österreich. Und diese sieht vor, dass der Plastikmüll so nah wie möglich beim Konsumenten gesammelt wird.
Dies funktioniert nämlich in den ländlichen Regionen bereits jetzt sehr gut. Dort steht jedem Haushalt ein „gelber Sack“ oder eine „gelbe Tonne“ zur Verfügung. Weniger gut gelingt die Mülltrennung hingegen in den Städten – allen voran in Wien. Dort müssen die Konsumenten bekanntlich den Plastikmüll extra zur Müllsammelstelle tragen.
Mülltrennung ist eine Frage der Bequemlichkeit
Mülltrennung und Recycling ist also auch eine Frage der Bequemlichkeit. „Vom Bring- zum Holsystem“ lautet deshalb der Ansatz der Wirtschaft.
Pro Jahr sind in Österreich 1,6 Milliarden Plastikflaschen im Umlauf und nicht wenige davon landen leider in der Natur, betont Umweltministerin Gewessler und spricht gar von einer „Plastikflut“. Sie setzt deshalb auf ein neues Pfandsystem für Einwegverpackungen. Nur so könne man die EU-Vorgaben erfüllen. Bis 2029 sollen 90 Prozent der Plastikflaschen gesammelt werden. Dass dies in jenen Ländern am besten funktioniert, in denen es jetzt schon ein Pflastikpfand gibt, ist evident. Deutschland hat ein Pfandsystem und eine Sammelquote bei PET-Flaschen von 98 Prozent.
Dass es allerdings auch ohne Pfand geht, beweisen einige österreichische Bundesländer. In Tirol, Vorarlberg und im Burgenland werden die EU-Vorgaben längst erfüllt, in der Steiermark liegt die Sammelquote bei PET-Flaschen bei 84 Prozent. Man kann das Ziel von 90 Prozent bis 2029 also auch schaffen, wenn man das etablierte System verbessert, betonen Branchenvertreter. Im Schnitt kommt Österreich derzeit auf eine Sammelquote von 70 Prozent. Großer Ausreißer nach unten ist Wien, wo die Sammelquote nur knapp über 30 Prozent liegt.
Pfandsystem kostet Millionen
Wirtschaft kritisiert teures Pfandsystem
Die Vorschläge der Wirtschaft reichen von attraktiveren Angeboten für Betriebe, um so den Gewerbeabfall zu reduzieren, über Bewusstseinsbildung bis hin zu smarten Sammelbehältern. Dieses „umfassende System“ sei nachhaltiger und vor allem kostengünstiger. Das Pfandmodell würde jährlich mindestens 60 Millionen Euro mehr kosten, rechnet die Wirtschaftskammer vor.
Statt Umweltschutz mittels Pfandsystem quasi per Strafe einzufordern, müsse die Mülltrennung „einfacher, bequemer, effizienter und besser kommunizierbar“ sein. Derzeit gibt es bundesweit 94 Sammelregionen mit unterschiedlichen Sammelsystemen. Die besten Ergebnisse liefern Vorarlberg und das Burgenland. Dort umfasst die Sammelfraktion alle Kunststoffverpackungen. Der Müll wird fast ausschließlich in den Häusern gesammelt und von dort abgeholt. Fazit: In den beiden Ländern gibt es nicht nur die höchste Sammelmenge pro Einwohner, sondern auch die beste Sammelqualität. Diese Best practice-Beispiele sollten für ein einheitliches, leicht verständliches System herangezogen werden.
Was bedeutet das für Großstädte wie Wien? Hier sollen künftig weniger Restmüllbehälter, stattdessen zusätzlich Kunststoffabfallbehälter aufgestellt werden. Als Beispiel wird eine Wohnhausanlage angeführt, die aktuell vier Restmüll- und zwei Altpapiercontainer hat. Künftig sollen dort nur noch zwei Restmüll-, dafür aber auch zwei Kunststoffbehälter aufgestellt werden.
Plastikflaschen sind nur ein kleiner Teil des Problems
Von den knapp 900.000 Tonnen Kunststoffabfällen, die jedes Jahr in Österreich anfällt, entfallen nur 50.000 Tonnen auf Plastikflaschen. „Es greift daher entschieden zu kurz, den Schwerpunkt der politischen Diskussion praktisch nur auf diesen Teilaspekt zu legen und dabei die Gesamtherausforderung gänzlich aus dem Auge zu verlieren“, heißt es in dem „Plan der Wirtschaft“.
Das EU-Ziel sieht nämlich nicht nur eine 90-prozentige Sammelquote bei Einwegverpackung vor. Insgesamt soll die Recyclingquote von 25 auf 55 Prozent erhöht werden. Dies sei nicht mit Einzelmaßnahmen erreichbar, sondern „durch eng abgestimmte Vorgehensweisen der Wirtschaft mit dem kommunalen Sektor.“
Umweltministerin Gewessler hat am Dienstag im ORF bereits angekündigt, dass sie an ihrem Plan festhalten wird. Bis Ende des Jahres soll das neue Pfandsystem für Plastikflaschen stehen. Dass die Diskussion um das Plastikflaschenpfand neu aufkocht, dürfte auch mit der Wien-Wahl am kommenden Sonntag zu tun haben, meinen Beobachter.