Mediendemokratie

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Der Begriff  Mediendemokratie wird verwendet, um schlagwortartig die gestiegene Bedeutung der Massenmedien für das politische System zu unterstreichen. In der Mediendemokratie sind Medien nicht lediglich politische Kommunikationskanäle, auf welche die politischen Akteure zur Verbreitung ihrer Botschaften zwingend angewiesen sind, sondern vor allem selbst politisch wirksame Akteure, welche die Meinungsbildung und damit politische Handlungsspielräume maßgeblich bestimmen. Insofern stehen Politik- und Medienakteure in der Mediendemokratie in einem engen Zusammenhang, beide Handlungsfelder überlagern sich, die Politik “mediatisiert” sich zunehmend.Mediendemokratie zeigt sich beispielsweise daran, dass sich die politischen Entscheidungen, die Präsentation von Politikern und ihre Aussagen an den Bedürfnissen der Massenmedien, insbesondere denen des Fernsehens bzw. seiner Zuschauer, orientieren.

Mit dem Begriff Mediokratie, den der Dortmunder Politikwissenschaftler Thomas Meyer verwendet, soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Politik der Medienlogik geradezu unterwerfen muss.
Dies kann dazu führen, dass politische Veranstaltungen und Ausdrucksformen mehr oder weniger zu Inszenierungen werden.

Mediendemokratie Definition lt. demokratiezentrum.org

  • 1. Medien und Demokratie öffnen

    Massenmedien stellen Öffentlichkeit her und sind damit von zentraler Bedeutung in einer Demokratie: Sie ermöglichen Transparenz und Legitimation politischen Handelns und sind maßgeblich an der demokratischen Meinungsbildung der Gesellschaft beteiligt. Gleichzeitig bestimmen sie durch Agendasetting die politischen Themen. Medien haben in der Demokratie die Aufgabe, die BürgerInnen auf gesamtgesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen und über das politische Geschehen zu informieren und genießen diesbezüglich auch hohes Vertrauen. Zugleich fungieren Medien als eine vierte Macht oder Gewalt, die Kontrolle und Kritik ausübt. Politische AkteurInnen sind wiederum auf Medien angewiesen, um ihre Botschaften zu vermitteln und sich selbst ein Bild über die (ver)öffentliche Meinung in der Bevölkerung zu machen. Meinungs-, Presse- und Medienfreiheit sind nicht nur unverzichtbare Kriterien für Demokratiequalität und politische Macht ist heute nicht mehr ohne den Einbezug von Medien zu denken.

  • 2. Mediatisierte Politik öffnen

    Im Kontext des omnipräsenten Stellenwerts, den Massenmedien in der heutigen Mediengesellschaft erhalten, hat sich auch das komplexe Verhältnis zwischen Medien und Politik zunehmend verändert. Statt der früheren Trennung von Medien und Politik, überlagern sich beide Systeme weitgehend. Medien beobachten nicht nur das politische Geschehen, sie fungieren zunehmend als Stimmungsmacher und folgen bei der Darstellung von Politik ihrer eigenen Logik. Demokratische Politik ist zur Legitimation ihrer Macht in der heutigen komplexen Gesellschaft auf die medial vermittelte Kommunikation angewiesen und unterwirft sich der Logik der Medien. Man kann auch von einer „Mediatisierung der Politik“ sprechen, was besagt, dass politische Kommunikation und politisches Handeln sich immer mehr an den Regeln der Massenmedien orientieren. Somit wird Politik durch die Selektion spektakulärer Ereignisse, die Auswahl telegener PolitikerInnen und dessen theatralische Inszenierung geprägt (Selektionslogik/Präsentationslogik). Zudem kommt es zu einer Professionalisierung der politischen Kommunikation mit dem Ziel, die politischen AkteurInnen möglichst vorteilhaft auf der Medienbühne zu präsentieren und die Kontrolle über die politische Berichterstattung zu gewinnen.

  • 3. Mediendemokratie öffnen

    Diese Entwicklung wird in der Wissenschaft auch als Mediendemokratie bezeichnet, die nach Thomas Meyer die Parteiendemokratie, in der die wichtigsten Entscheidungen von Parteien getroffen wurden, abgelöst habe. Mediendemokratie zeichnet sich nach ihm durch eine „professionelle Selbstmediatisierung der Politik nach den Regeln theatraler Inszenierungslogik“ aus (Meyer 2002). Während in der Parteiendemokratie die Medien die Politik beobachten sollten, beobachten nun die politischen Akteure das Mediensystem, um von ihm zu lernen, wie sie die Kontrolle über die Aufmerksamkeit in der Gesellschaft zurückerlangen. Politische Veranstaltungen und Berichterstattungen über Politik werden unterhaltende Elemente beigefügt und werden zu einem „Politainment“ (Dörner: Politanment). Die politischen Debatten werden vom Parlament in die abendlichen Talkshows verschoben, der politische Wahlkampf zeichnet sich durch professionalisierte Medienkampagnen aus und wird im Fernsehen z.B. als TV-Konfrontation fortgeführt.

  • 4. Mediokratie öffnen

    Thomas Meyer wertet den Wechsel zur Mediendemokratie äußerst kritisch und verwendet hierzu vor allem den Begriff der „Mediokratie“. Darunter versteht er die „Kolonialisierung der Politik durch die Medien“, in der Politik die Handlungslogik der Medien aufgezwungen wird: „Welche Themen auf den Tisch kommen, welcher Politiker Aufstiegschancen hat, wer die Führung übernimmt […] das wird durch mediale Vermittelbarkeit und Mediencharisma mit entschieden“ (Meyer 2003). Politik, die sich den Mitteln medialer Aufmerksamkeit bedient, kann somit Gefahr laufen zu einer Scheinpolitik zu werden. Die Ausrichtung der Politik nach der medialen Logik führt aber vor allem zu einem Konflikt zwischen den unterschiedlichen Zeitformen von Medien und Politik: Während demokratische Prozesse komplex und langatmig sind, ist mediale Präsentation durch eine schnelle Verfallszeit geprägt und verlangt allerneueste Aktualität und somit schnelle unmittelbare Entscheidungen. Mediokratie führe zudem zu einer Entmachtung des/der Staatsbürger/in, da die Themenhoheit nur noch im Spannungsfeld zwischen Politik, PR und Massenmedien liegt. Die/der Bürger/in beobachte letztendlich nur noch die politische Debatte in den Medien ohne selbst zu partizipieren. Demokratie läuft vor diesem Hintergrund somit Gefahr zu einer Zuschauerdemokratie von Massengeschmack zu werden (Meyer 2002: 95).

  • 5. Wechselverhältnis Politik und Medien öffnen

    In den ausgeführten Interpretationen zum Konzept der Mediendemokratie befindet sich in erster Linie das politische System in der Gewalt des Mediensystems. Diese Sichtweise ist jedoch zu einseitig. Das Verhältnis der Politik zu den Medien ist statt einer alleinigen Dependenz zugleich durch Interdependenz und Interaktion geprägt. Vielmehr versuchen beide Systeme in diesem Wechselverhältnis Vorteile durch den anderen zu erzielen: So nutzen PolitikerInnen den Kontakt zu den JournalistInnen, um Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit durch die mediale Präsentation zu erlangen. JournalistInnen nutzen wiederum den Kontakt zu PolitikerInnen, um Zugang zu internen Information zu erhalten. (Kleinsteubner: 6) Das Konzept der Mediendemokratie verfügt somit nach Hans J. Kleinsteubner sowohl eine deskriptive als auch eine normative Seite: Einerseits beschreibt das Konzept den unbestreitbaren Fakt, dass die Bedeutung der Medien im demokratischen Prozess zugenommen hat. Andererseits mahnt der Begriff die Medienleute (als auch politischen AkteurInnen: Anmerkung der Verfasserin) zu einem reflexiven Umgang. (Kleinsteuber: 7).

    Angesichts des hohen Stellenwerts, den Medien im demokratischen System besitzen, ist es zwingend notwendig, ein freies und offenes Mediensystem zu fördern, das sich selbst durch demokratische Prinzipien wie Pluralität und Meinungsfreiheit sowie eine professionelle Distanz zur Politik auszeichnet.

P.S.:  Wer suchet, der findet!
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Medienspiegel:
2004-08-20 – Bundeszentrum für politische Bildung

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