
Angeeignet!
Alarmiert verfolge ich die Karriere des Begriffs „kulturelle Aneignung“: ein deppendeutscher Vorstoß ins deppenlateinische Soziologenkauderwelsch! Ich weiß gar nicht mehr, wann sich erstmals ein von der Muttersprache verstoßener Grenzalphabet an der klassischen Philologie vergangen hat.
Bis dahin kannte ich zwar impressionistische, expressionistische und kubistische Kunst. Aber nie sexistische – etwa das Plakat von Christian Attersee, der nackte Schifahrerinnen zu malen wagte und damit in der Liga misogyner Schmierfinken zu Rubens und Klimt aufschloss. Auch dass plötzlich jeder lallende Forums-Dolm einen Diskurs* führt, egal, ob immersiv oder toxisch: geschenkt, so ließen die Hilfsschultoxikologen wenigstens die deutsche Sprache in Ruhe.
Aber jetzt diese kulturelle Aneignung! Sie bedeutet z. B., dass käsige Schweizer nicht mehr rappen dürfen, weil sie sich die Filzfrisur diverser Eingeborener angeeignet haben. Old Shatterhand hat sich (nicht eindeutig binär) Winnetou angeeignet. Singt eine weiße Sopranistin die Japanerin Butterfly, treibt sie Aneignung mittels Yellowfacing. Sebastian Kurz hat die bei verdienten Aborigines (Figl, Raab) enteignete Farbe Schwarz vorsorglich aus dem Sortiment genommen. Leider hat er übersehen, dass „türkis“ nichts anderes als „türkisch“ heißt, weshalb jetzt die ganze ÖVP gecancelt wird. Und speziell dass sich die Korrektheitsstammler das Adjektiv „kulturell“ aneignen dürfen: Das macht, dass ich mich unwohl fühle.